EZB erhöht Leitzinsen zum voraussichtlich letzten Mal

Zusammenfassung

Diese Woche standen vor allem zwei Ereignisse im Mittelpunkt der Finanzmarkt-teilnehmer: die amerikanischen Verbraucherpreise für den August und die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB). Erstere bestätigten zwar den sinkenden Inflationstrend, doch die kritischen Punkte lagen im Detail.

Während sich die Monatsrate von 0.2% auf 0.6% beschleunigte, nahm die Kernrate ohne die zyklischen Nahrungsmittel und Energiepreise nur von 0.2% auf 0.3% zu. Die Differenz ist überwiegend auf die höheren Energiepreise zurückzuführen. Entsprechend stiegen die Transportkosten mit +2.6% stark an, getrieben durch die Ferien bedingt dynamisch steigende Reisetätigkeit. Allerdings ist die ausserordentliche Zunahme der Transportkosten als temporär einzustufen. Während die Inflationsrate bei Gütern (ohne Nahrungsmittel und Energie) um 0.1% sank, lag diejenige für Dienstleistungen mit 0.4% hartnäckig auf zu hohem Niveau. Zwar wird das FED mit diesem Datenkranz noch nicht vollständig zufrieden sein, dennoch dürfte vorerst keine weitere Leitzinserhöhung anstehen. Viel mehr dürfte das FED seine Leitzinsen nun einige Monate unverändert halten, um die restriktive Wirkung des bisherigen - historisch einmalig steilen -Zinserhöhungspfad auf die Konjunktur abzuwarten.

Aktuelle Situation

In Europa hat die EZB dagegen ihren Leitzsatz – voraussichtlich ein letztes Mal - von 3.75% auf 4.00% erhöht. Die von einer deutlichen Mehrheit der Ratsmitglieder gefällte Entscheidung wurde mit der höheren Inflationsprognose für die nächsten Jahre begründet und dem Willen, das Inflationsziel von 2% baldmöglichst zu erreichen. Die Leitzinsen befinden sich gemäss EZB nun auf einem Niveau, auf dem sie erheblich zum Rückgang der Inflation beitragen. Allerdings wirkt der Transmissionsmechanismus der (restriktiven) Geldpolitik bereits heute. Das Nullwachstum in der Eurozone seit Herbst 2022 und die inzwischen auch im Dienstleistungssektor laufende Abschwächung signalisieren eindeutig, dass die restriktive Geldpolitik die Realwirtschaft erreicht hat. Deutschland beispielsweise befindet sich mit zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit (leicht) negativem Wirtschaftswachstum bereits heute in einer «technischen» Rezession. Somit läuft die EZB Gefahr, eine europaweite Rezession auszulösen.

Die Obligationen- und Aktienmärkte reagierten positiv auf die oben besprochenen Ereignisse. Dies vor allem deshalb, weil die Notenbanken mit grosser Wahrscheinlichkeit den «Zinsgipfel» nun erreicht haben, wie an der Pressekonferenz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde zwischen den Zeilen zu erfahren war.

Nach der äusserst schwachen Performance im letzten Jahr, dominierten 2023 bisher die Technologie-Schwergewichte im Index die Anlagerendite des S&P 500 (SPXT). Diese profitierten von ihrer beherrschenden Marktstellung und der Euphorie um künstliche Intelligenz (KI). Die Differenz zur Wertentwicklung des gleichgewichteten S&P 500 (SPXEWTR) hat sich zuletzt bis auf über 12% ausgeweitet. Nvidia (+212%), Meta (+160%) und Tesla (+124%) haben dieses Jahr allesamt äusserst hohe Kursgewinne erzielt. Aber auch Apple (+36%), Microsoft (+42%), Alphabet (+56%) und Amazon (+72%) konnten im Vergleich zum Nasdaq (+42%) teilweise überdurchschnittlich zulegen. Die Gewinn- und Umsatzentwicklung dieser Gruppe war zuletzt wesentlich besser als die des restlichen Marktes. Dennoch haben sich die Bewertungen massiv erhöht und erscheinen anfällig auf Preiskorrekturen. Im historischen Vergleich ist die Outperformance des SPXT in den letzten 10 Jahren als aussergewöhnlich und als Strukturbruch zu betrachten, weist doch der SPXEWTR langfristig über 20 Jahre eine um 70% höhere Performance aus. Die Outperformance des SPXT dürfte jedoch solange anhalten, wie nicht mit überraschend hohen Inflationsraten und weiter steigenden Zinsen zu rechnen ist. Im Weiteren könnten auch Enttäuschungen beim Gewinnwachstum und mangelnde Fortschritte im Bereich KI die Kurse der «Tech-Giganten» unter Druck bringen.

In der kurzen Frist konnte der klassische Value-Sektor «Energie» im Zuge des deutlich höheren Ölpreises weiter zulegen, insbesondere in den USA. Auslöser hierfür war die OPEC-Prognose, welche von einer Angebotslücke der Öl-Märkte im vierten Quartal von über 3 Mio. Barrel pro Tag - und damit dem grössten Defizit seit 2007 - ausgeht. Ein weiterer Ölpreisanstieg dürfte jedoch wiederum die Inflationssorgen schüren.

Unsere Empfehlung

Auf dem aktuell höheren Zinsniveau und gleichzeitig sinkenden Inflationserwartungen haben Obligationenanlagen an Attraktivität hinzugewonnen. Wir bevorzugen hierbei Anleihen mit kurzen Laufzeiten und guter Bonität. Die Aktienmärkte sind in den USA und der Schweiz eher hoch, in Europa, Japan und den Schwellenländern hingegen günstig bewertet. Insgesamt bleiben wir in Aktienanlagen übergewichtet, da auf das Ende des Zinserhöhungszyklus häufig eine Phase steigender Aktienkurse folgt.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Leichte Übergewichtung; Schweiz, USA und UK übergewichten; Japan, Schwellenländer und Europa neutral gewichten
Währungen: USD/CHF über 0.90 absichern und EUR/CHF über 0.98 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien: - ; Obligationen: -
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum, US Tech-Megacaps
Themen: Basismetalle und Energie

15.09.2023 / Matthias Wirz