Ausblick 1. Quartal 2022

Finanzmarktausblick 1. Quartal 2022

Zenit der Konjunkturerholung überschritten

  • Das Wirtschaftswachstum bleibt überdurchschnittlich, verliert aber an Tempo
  • Unternehmen verzeichnen weiterhin hohe Gewinne – Ölpreis unter Druck
  • Obligationenmärkte glauben (noch) an temporären Inflationsschub
  • Der EUR bleibt schwach

Die Freude über die zuletzt besser als erwarteten Konjunkturdaten in der Eurozone wird durch das erneute Aufflammen der Corona-Krise getrübt. Nach der Delta- folgt die Omikron-Variante, welche um ein Vielfaches ansteckender sein soll und sich rasend schnell auszubreiten droht. Zudem wirken die bestehenden Impfstoffe weniger effektiv gegen diese Variante. Gleichwohl scheint sie milder zu verlaufen als befürchtet. In den USA hat sich der massgebende Konjunkturindikator ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe trotz der beschriebenen Hindernisse bisher mit 61.1 Punkten im November auf einem hohen Niveau behauptet und signalisiert daher starkes Wirtschaftswachstum für die kommenden Monate.

Unsere Anlagepolititk

Die neue Corona-Variante Omikron dürfte das globale Wirtschaftswachstum in den nächsten Monaten zwar abbremsen, aber nicht stoppen. Die Mehrheit der Konjunktursignale deutet darauf hin, dass die Weltwirtschaft 2022 weiterhin über dem langfristigen Durchschnitt von 2.9% wachsen wird. Trotz Gegenwind infolge der Normalisierung der Geldpolitik in den USA dürften daher Aktienanlagen und Immobilien eine höhere Anlagerendite erzielen als Cash und Obligationen.

Obligationen: mehr Risiken als Chancen - starke Untergewichtung

Die Risikoprämien (Credit-Spreads) haben sich seit Aufkommen von Omikron ausgeweitet. Mit der Aussicht, dass die Anleihekäufe der EZB im nächsten Jahr zurückgefahren werden, könnten die Credit-Spreads der Staats- und Unternehmensanleihen in der Eurozone weiter ansteigen. Es lohnt sich deshalb, bei der Auswahl von Obligationen sehr selektiv vorzugehen.

Aktien: Übergewichtung – Gewinnwachstum als Stütze

Aufgrund der beständigen Gewinnwachstumsraten der Unternehmen und kurzfristig weiterhin tiefen Zinsen sind Aktien auch 2022 unsere bevorzugte Anlagekategorie. Geografisch setzen wir dabei auf die USA, Schweiz und Japan. Mit der eingeleiteten Normalisierung der Geldpolitik werden zudem «Value»-Aktien wieder interessanter.

Immobilien: steter Kapitalzufluss führt zu hohen «Agios»

Stetige Zuflüsse infolge von taktischen Umschichtungen aus Anleihen in Immobiliengefässe führen auch künftig zu anziehenden Bewertungen. Diese Entwicklung wird sich auch im neuen Jahr so-lange fortsetzen als das allgemeine Zinsniveau dermassen tief – im Falle der Schweiz negativ – bleibt. Einträglich bleiben deshalb die im Vergleich zu Obligationen attraktiven Ausschüttungsrenditen von durchschnittlich 2.6%.

Edelmetalle und Rohstoffe: Energiepreise konsolidieren

Die Freisetzung eines Teils der strategischen Ölreserven durch die USA und andere Länder, sowie der OPEC-Beschluss, ihre Fördermengen auszudehnen, hat den Aufwärtstrend des Ölpreises fürs Erste unterbunden. Während der Energiesektor dadurch wenig Potential ausweist, sollten Basismetalle aufgrund der Energiewende und des knappen Angebots Kursgewinne erzielen. Auch Gold könnte infolge der hohen Inflationsraten und negativen Realzinsen bei gleichzeitig erhöhter Volatilität an den Aktienmärkten wieder vermehrt das Interesse der Anleger gewinnen.

Währungen: Schwacher EUR, starker CHF

Die Absicht der amerikanischen Notenbank (FED), das Tapering bis im Frühjahr 2022 zu beenden, begünstigt den USD gegenüber den anderen Währungen. Da die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Tapering frühestens sechs Monate später beginnen wird, dürfte der EUR folglich leicht an Wert verlieren. Der CHF wiederum sollte aufgrund seiner im Vergleich zu Euroland und den USA tieferen Inflationsrate – gemäss Kaufkraftparität – weiterhin zur Stärke neigen.

Negativszenarien und deren Auswirkungen auf unsere Anlagestrategie

Die folgenden Szenarien beschreiben die aus unserer Sicht zwar möglichen, aber für uns wenig wahrscheinlichen wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Szenarien geben einen Hinweis darauf, wie sich solche weniger wahrscheinlichen Entwicklungen auf unsere aktuelle Anlagestrategie auswirken würden.

Szenario 1: Rasche Normalisierung der Geldpolitik und höhere Leitzinsen

Das FED rückt immer mehr vom Narrativ des vorübergehenden Inflationsschubs ab und zeigt sich zunehmend besorgt über die Verstetigung der hohen Teuerungsraten. Demzufolge könnte sich auf den Finanzmärkten die Erkenntnis durchsetzen, dass die Zeit der überaus generösen Liquiditätsversorgung der Zentralbanken schon bald vorbei sein wird. Bisher sind neben einem schnelleren Tapering, das die Anleihekäufe bereits im März statt im Juni beendet, auch zwei Leitzinserhöhungen eingepreist. Geht das FED stattdessen mit der Normalisierung der Geldpoltitk rascher und entschlossener voran, dürfte an den Anleihe-, vor allem aber an den überaus hoch bewerteten Aktienmärkten, eine kräftige Korrektur folgen.

Szenario 2: Covid-Variante Omikron schleift Konjunkturerholung

Die neue, hochansteckende und sich daher rasch verbreitende Covid-Variante dürfte vor allem die Länder mit tiefer Impfquote zu weitergehenden Massnahmen zwingen, um das Gesundheitswesen vor Überlastung zu schützen. Dazu gehören Einschränkungen wie zum Beispiel Lockdowns, Reisebeschränkungen, Ausgangssperren, Versammlungsverbote u.ä..In der Folge wird die Aktivität vor allem des Dienstleistungssektors massiv beeinträchtigt, der Risikoappetit der Anleger schwindet rasch und die Risikoprämien schnellen in die Höhe. Gerade in den USA könnte sich dadurch ein Szenario ergeben, in welchem das FED den Expansionsgrad der Geldpolitik bei gleichzeitigem Einbruch der Wirtschaftswachstums (zu) rasch zurückdreht. Nachdem sich die Märkte gerade erst noch um eine - angesichts der hohen Inflationsraten - zu langsame Normalisierung der Geldpolitik sorgten, geht in diesem Fall die Angst vor einer zu restriktiven Geldpolitik um. Die hohen Bewertungsniveaus von Aktien und Unternehmensanleihen kämen auch in diesem Fall unter erheblichen Druck mit der Folge von hohen Kursverlusten.



Matthias Wirz, 31. Dezember 2021