Ausblick 1. Quartal 2023

Finanzmarktausblick 1. Quartal 2023

Weltwirtschaft steuert auf eine milde Rezession zu

  • Konjunkturabschwung und sinkende Teuerungsraten
  • Fallende Gewinnwachstumsraten - Angebotsknappheit bei Rohstoffen
  • Obligationenanleger profitieren von höheren Zinsen
  • Das FED hat die Zügel fest in der Hand

In den USA signalisieren die aktuellsten Konjunkturdaten mit zeitlicher Verzögerung, dass die vergangenen, teilweise heftigen Zinsschritte ihre negative Wirkung auf die Konjunktur nun entfalten. Vor allem der Bestellungseingang bildet sich weiter zurück. Der in den USA dominante Dienstleistungsbereich zeigt sich dennoch unvermindert expansiv. In Europa ist der Industrieanteil höher und die Wirtschaft darüber hinaus energieintensiver (v.a. Gas). Damit dürfte der Konjunktureinbruch in Europa heftiger ausfallen. In China wurde die «Null-Covid-Strategie» aufgegeben. Die Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft wird die weltweite Lieferkettenproblematik entschärfen und der Weltwirtschaft im Laufe des Jahres neue Wachstumsimpulse verschaffen.

Unsere Anlagepolititk

Die Aufholbewegung der Aktienmärkte im 4. Quartal 2022 ist eher als technische Erholung und nicht als nachhaltiger Aufwärtstrend zu betrachten. Wir erwarten eine Stagnation der Weltwirtschaftsleistung im ersten Halbjahr 2023, jedoch keinen starken Einbruch. Die Aktienanleger dürften in diesem schwierigen Umfeld zurückhaltend investieren. Bei Obligationen rechnen wir mit moderaten Kursgewinnen aufgrund leicht sinkender langfristiger Zinsen.

Obligationen: Kurze Laufzeiten empfehlenswert

Die mittel- und langfristigen Renditen dürften in den kommenden Monaten auf den aktuellen Niveaus von 3.6% in den USA und 1.3% in der Schweiz verharren oder gegebenenfalls weiter sinken. Daher empfehlen wir, die Obligationenquote mit bonitätsmässig soliden Schuldnern aufzustocken. Im CHF sind vor allem kurze bis mittlere Laufzeiten aufgrund der flachen Renditekurve kaufenswert.

Aktien: Abbau der Übergewichtung

Die Aktienmärkte werden sich in diesem Jahr im Spannungsfeld zwischen konjunkturbedingt sinkenden Gewinnerwartungen und Leitzinserhöhungen der Notenbanken wiederfinden. Daher reduzieren wir die Aktienanlagen auf eine neutrale Positionierung. Defensive, konjunkturresistente Sektoren sollten sich gut behaupten. Indes verlieren europäische Unternehmen aufgrund der immer noch hohen Strom- und Gaspreise an Wettbewerbsfähigkeit, sodass ein Einstieg trotz tiefen Bewertungen verfrüht ist.

Immobilien: Attraktive Bewertung

Indirekte börsenkotierte Immobilienanlagen konnten zwar infolge fallender Anleiherenditen jüngst etwas Boden gutmachen, notieren aber seit Anfang 2022 noch immer zweistellig im Minus. Aufgrund der nun tiefen Aufschläge (Agios) zum inneren Wert empfehlen wir einen Aufbau von Positionen.

Edelmetalle und Rohstoffe: Gold vor Comeback?

Gold könnte 2023 ein Comeback gelingen, da der USD zur Schwäche tendiert und die Realzinsen aufgrund der widrigen Konjunkturperspektiven kaum mehr weiter ansteigen dürften. Angesichts der fortwährenden Angebotsknappheit dürften sowohl Basismetall- als auch Energiepreise auf hohen Niveaus verharren, wenn auch deutlich tiefer als im 2. Quartal 2022. Dadurch erzielen die grossen integrierten Energie- und Bergbaukonzerne weiterhin ausgezeichnete Gewinne und schütten entsprechend hohe Dividenden aus.

Währungen: Überbewertung des USD

Der USD dürfte in den nächsten Monaten wegen des abnehmenden Zinsvorteils gegenüber den anderen Hauptwährungen an Wert verlieren. Hingegen ist der CHF aufgrund der vergleichsweisen tiefen Teuerungsrate gegenüber dem EUR nicht mehr überbewertet. Nachdem sich der JPY gegenüber dem USD in den letzten 12 Monaten um über 30% abwertete, hat die Bank of Japan (BOJ) verschiedentlich am Devisenmarkt interveniert und die Zielrendite der 10-jährigen Staatsanleihe auf 0.50% angehoben. Damit sollte die Schwächephase des JPY vorerst beendet sein.

Alternativszenarien zu unserer erwarteten Finanzmarktentwicklung

Die folgenden Szenarien beschreiben die aus unserer Sicht zwar möglichen, aber für uns weniger wahrscheinlichen wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Szenarien geben einen Hinweis darauf, wie sich solche weniger wahrscheinlichen Entwicklungen auf unsere aktuelle Anlagestrategie auswirken würden.

Negatives Szenario: tiefe Rezession (Eintretenswahrscheinlichkeit mittel)

Entgegen dem Hauptszenario sinkt 2023 die Inflationsrate nur wenig, wodurch die Gefahr einer Lohn-Preisspirale erneut zunimmt. Gleichzeitig befinden sich die meisten Rohstoffe im «Defizit», das heisst, die globale Nachfrage bleibt strukturell höher als die kurzfristig unelastische Angebotsmenge. Infolgedessen beschliessen die Notenbanken weltweit weitere kräftige Leitzinserhöhungen, wodurch auch die langfristigen Renditen steigen und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weltweit sinkt. Der Inversionsgrad der Zinskurven nimmt weiter zu und signalisiert dadurch eine tiefe Rezession. Höhere Hypothekarzinsen vergrössern den Druck auf die Immobilienmärkte, wodurch der Konjunktureinbruch zusätzlich vertieft wird. Die Gewinnerwartungen der Unternehmen fallen in den negativen Bereich (Gewinnrezession), sodass Aktienanlagen und Unternehmensanleihen heftig korrigieren. Hingegen profitieren die langfristigen Staatsanleiherenditen von «Safe haven»-Zuflüssen, aber auch Gold und Liquidität bieten einen gewissen Schutz.

Fazit: Staatsanleihen, Gold und Liquidität sind anderen Anlageklassen vorzuziehen.

Positives Szenario: rasche Erholung (Eintretenswahrscheinlichkeit sehr tief)

In diesem Szenario fällt die Teuerungsrate im Verlaufe des Jahres stetig bis in die Nähe der Zielraten der Zentralbanken. Hilfreich sind hierbei vor allem konjunkturell bedingt sinkende Rohstoffpreise. Zudem wird die Angebotsknappheit bei Öl- und Gas mit der zunehmenden Schieferöl- und -gasproduktion in Nordamerika entschärft. Davon kann auch Europa in Form von Flüssiggaslieferungen profitieren. Infolgedessen werden die Notenbanken ihre Leitzinsen weniger stark als ursprünglich vorgesehen erhöhen müssen. Des Weiteren sinken auch die langfristigen Renditen an den Anleihemärkten und unterstützen dadurch die Aktien- und Immobilienmärkte. Ausserdem stützt die Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft die weltweite Konjunktur, sodass es – wenn überhaupt – nur zu einer milden weltweiten Rezession kommen wird, gefolgt von einer relativ zügigen Erholung.

Fazit: Aktienanlagen und Immobilien profitieren überdurchschnittlich von der Erholung.


Matthias Wirz, 31. Dezember 2022