Ausblick 4. Quartal 2022

Finanzmarktausblick 4. Quartal 2022

Abschwung der Weltwirtschaft – Rezession in Europa

  • Das globale Konjunkturbild verdüstert sich
  • Gewinnwachstum der Unternehmen nimmt ab – Fallende Energiepreise
  • Späte, aber entschlossene Reaktion der Notenbanken
  • Kräftige Leitzinserhöhungen durch das FED und die EZB

Bis vor Kurzem zeigte sich die Weltwirtschaft trotz widriger Umstände in Form von Ukraine-Krieg, Energiepreisschock, rekordhohen Teuerungsraten und steigenden Leitzinsen überraschend widerstandsfähig. In den kommenden Monaten dürfte sich die globale Konjunktur jedoch merklich abschwächen und möglicherweise in eine Rezession abgleiten. Die USA befindet sich aufgrund von zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalswachstumsraten technisch gesehen bereits jetzt in einer Rezession, doch ist deren Ausmass gering.

Unsere Anlagepolititk

Das Umfeld an den Finanzmärkten ist zwar durch hohe Unsicherheit und ausgesprochenen Pessimismus der Marktteilnehmenden gekennzeichnet, doch sollte der Inflationsdruck aufgrund der nachlassenden weltweiten Wirtschaftsaktivität und stagnierenden Rohstoffpreise abnehmen. Entsprechend dürften Anleiherenditen nach dem zuletzt erfolgten heftigen Anstieg in den kommenden Monaten wieder fallen und dadurch die Aktien- und Immobilienmärkte unterstützen.

Obligationen: Kurze Laufzeiten mit vorteilhaftem Ertrags-Risiko-Verhältnis

Das FED dürfte seine Leitzinsen aufgrund des erwarteten Rückgangs der Teuerungsraten und unter Berücksichtigung seines Doppelmandats nur geringfügig über das neutrale Niveau von ca. 4.5 % erhöhen. Entsprechend sind in USD auf dem erhöhten Zinsniveau und der überwiegend inversen Renditekurve Anleihen mit kurzen Laufzeiten wieder interessant. Das gleiche gilt im Wesentlichen für EUR- und CHF-Obligationen.

Aktien: leichte Übergewichtung – USA und Schweiz im Fokus

Bei den Aktienanlagen bevorzugen wir unverändert den amerikanischen Aktienmarkt aufgrund seiner defensiven Struktur und die Schweiz mit der Dominanz der konjunkturunabhängigen Sektoren Gesundheit und Nahrungsmittel. Ferner ist Grossbritanniens Aktienmarkt infolge seiner Rohstofflastigkeit und tiefen Bewertung interessant. Die zyklischen Märkte Europa und die Schwellenländer sowie klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen (Small- und Mid Caps) sind dagegen zu meiden.

Immobilien: Immobilienfonds wieder attraktiver

Die Anfang Jahr noch enorm hohen Aufschläge zum inneren Wert (Agio) von durchschnittlich über 30 % haben sich in den letzten Monaten aufgrund der steigenden Zinsen bis auf 3 % zurückgebildet. Der Kursverlust des Immobilienindex (SWIIT) beträgt inzwischen seit Anfang Jahr beinahe 20 %. Da die fundamentalen Treiber für Immobilienanlagen – die hohe Nachfrage nach Wohneigentum und Mietwohnungen – unverändert intakt sind, empfehlen wir auf den aktuellen Bewertungsniveaus Immobilienanlagen zuzukaufen.

Edelmetalle und Rohstoffe: Energiesektor bevorzugen

Trotz des markanten Rückgangs des Ölpreises von USD 125 auf USD 80 pro Barrel und damit unter das Niveau vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs dürfte der weltweite Energiesektor auch künftig ansehnliche Gewinnzuwächse bei gleichzeitig günstiger Bewertung verzeichnen. Hingegen belasten steigende Realzinsen und die USD-Aufwertung Gold und Goldminenaktien. Preisstützende Faktoren wie z.B. geopolitische Unsicherheiten spielen zurzeit keine Rolle.

Währungen: Überbewertung des USD

Die bisherigen überaus kräftigen Leitzinserhöhungen durch das FED haben zu einer Aufwertung des USD gegenüber den übrigen Hauptwährungen geführt. Aufgrund der erwarteten Zinsschritte der EZB und SNB rechnen wir nun mit stabileren Wechselkursen. Der JPY erreichte gegenüber dem USD, trotz Interventionen der japanischen Zentralbank (BOJ), einen langjährigen Tiefststand von JPY / USD 145, da die BOJ ihre quantitative Geldpolitik beharrlich fortsetzt.

Alternative Szenarien für unsere Anlagestrategie

Die folgenden Szenarien beschreiben die aus unserer Sicht zwar möglichen, aber für uns weniger wahrscheinlichen wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Szenarien geben einen Hinweis darauf, wie sich solche weniger wahrscheinlichen Entwicklungen auf unsere aktuelle Anlagestrategie auswirken würden.

Negatives Szenario: starker weltweiter Wachstumseinbruch (Eintretenswahrscheinlichkeit moderat)

Gegenüber dem letzten Quartalsbericht hat dieses Szenario an Gewicht zugenommen und bildet den «perfekten Sturm» ab. Der Ukraine-Krieg eskaliert und wird mit zunehmender Härte geführt. Dadurch verstärkt sich der Angebotsschock bei Öl und vor allem Gas, da Russland kein Gas mehr nach Europa liefert. Gleichzeitig steigt der Strompreis in bisher unbekannte Höhen, eine Rationierung von Gas und Strom ist im Winterhalbjahr durchaus möglich. Die gefährliche Mischung aus höheren Zinsen und Inflationsraten, massiv angestiegenen Rohstoffpreisen, möglicher Strommangellage und Gaslieferstopp Russlands dürfte die europäische Wirtschaft spätestens in den Wintermonaten in eine schwere Rezession treiben.

Fazit: Einzig Cash und Regierungsanleihen profitieren


Positives Szenario: Aufschwung (Eintretenswahrscheinlichkeit sehr tief)

In diesem Szenario verliert der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland noch in diesem Jahr an Bedeutung (Waffenstillstand, «taktischer» Rückzug von Russland, Nachgeben von Europa/USA). Dadurch sinkt die Risikoprämie auf Strom und den Energierohstoffpreisen. Desgleichen setzt der Ölpreis seine Talfahrt fort und fällt in den langjährigen Preisbereich von USD 60-70 zurück, da die Nachfrage infolge des globalen Konjunkturabschwungs rückläufig und das Angebot aufgrund der zunehmenden Schieferöl- und -gasproduktion in Nordamerika gleichzeitig angewachsen ist. Infolgedessen klingen die Inflationserwartungen ab, wodurch die Notenbanken Spielraum für Leitzinssenkungen gewinnen oder die Leitzinsen zumindest nicht mehr weiter anheben.

Fazit: Sachwerte wie Aktien und vor allem Immobilien sind zu bevorzugen.


Matthias Wirz, 30. September 2022