- Weltwirtschaft am Rande der Rezession
- Teuerungsraten sinken – Zentralbanken legen Pause ein
- Dominanz der Technologie-Schwergewichte und Ölpreis nahe USD 100
- Die USD-Stärke nähert sich ihrem Ende
01.12.2023
09.10.2023
09.10.2023
09.10.2023
Nachdem der Industriesektor in Europa bereits seit längerem in eine Rezession abgeglitten ist, schwächelt nun auch der bis anhin robuste Dienstleistungsbereich, bei welchem sich die Stimmung der Einkaufsmanager (PMI) seit Juli deutlich verschlechtert hat. Insbesondere in Deutschland, dem wirtschaftlich bedeutendsten Land, ist die gesamtwirtschaftliche Situation unverändert prekär. Das Konjunkturbarometer (IFO-Index) signalisiert mit einem historisch äusserst geringen Wert von 85.7 einen tiefen Abschwung.
Auch in den USA zeichnet der ISM-Index für die Industrie seit mittlerweile 10 Monaten mit Werten teils deutlich unter 50 ein düsteres Konjunkturbild. Eine Rezession ist bisher dank des anhaltend stabil laufenden und anteilsmässig deutlich gewichtigeren Dienstleistungssektors ausgeblieben. Hierfür sind wiederum die privaten Haushalte verantwortlich, die infolge der pandemiebedingt rekordhohen Sparüberschüsse und des aussergewöhnlich starken Arbeitsmarktes kurzfristig eine hohe Konsumquote aufrechterhalten. Zusätzlich wird der 2022 verabschiedete «Inflation Reduction Act», der in den nächsten Jahren über USD 500 Mrd. am Steuergutschriften und Subventionen vorsieht, über Multiplikatoreffekte das Wirtschaftswachstum auch längerfristig antreiben. Hingegen stieg der durchschnittliche 30-jährige Hypothekenzinssatz auf 7.61% und damit auf den höchsten Stand seit September 2000. Entsprechend ist die Bezahlbarkeit einer neuen Immobilie bei gleichzeitig unverändert hohen Immobilienpreisen auf das niedrigste Niveau seit Mitte der Achtzigerjahre gefallen. Deshalb wird sich der Immobilienmarkt in den nächsten Monaten weiter abschwächen.
In China versucht die Regierung mit allen Mitteln, eine Ausweitung der Immobilien- zu einer Schuldenkrise zu verhindern. Dazu gehören die Senkung des Mindestreserven-Satzes für Geschäftsbanken und Leitzinssenkungen. Darüber hinaus sollte die expansive Fiskalpolitik das Wachstum stützen.
Bei Aktienanlagen empfehlen wir weiterhin eine leichte Übergewichtung, da auf das Ende des Zinserhöhungszyklus häufig eine Phase steigender Aktienkurse folgt. Obligationenanlagen haben auf dem aktuell höheren Zinsniveau und bei gleichzeitig sinkenden Inflationserwartungen an Attraktivität hinzugewonnen.
Aufgrund der inversen Zinskurven bieten Anleihen mit kurzen Laufzeiten und guter Bonität unverändert das beste Risiko-Ertragsverhältnis. Obligationen mit längerer Laufzeit lohnen sich aktuell nicht, da in den nächsten Monaten nicht mit einem Renditerückgang und entsprechenden Kursgewinnchancen zu rechnen ist.
Die Technologie-«Megacaps» in den USA haben in diesem Jahr im Zuge der Hochstimmung um «Künstliche Intelligenz» (KI) bisher 85% zu den Kursgewinnen des S&P 500 beigetragen. Entsprechend hoch sind ihre Bewertung und Anfälligkeit auf eine kurzfristige Korrektur. Dagegen sind die übrigen Sektoren und die breiten Märkte nach der Konsolidierung im August und September als fair bis günstig bewertet einzustufen. Wir empfehlen weiterhin die defensiven, konjunkturunabhängigen Sektoren Gesundheit, nicht-zyklischer Konsum und Versorger.
Börsenkotierte Immobilienfonds liegen weiterhin nicht in der Gunst der Anleger. Der rasche Zins-anstieg im letzten Jahr wirkt noch immer nach und führt zu überdurchschnittlich hohen Geldabflüssen, welche auf den illiquiden Kollektivanlagegefässen lasten. Da die Börsenpreise nur noch einen Aufpreis von 3% zum inneren Wert ausweisen, sind Immobilienfonds günstig bewertet.
Die Produktionskürzungen der OPEC und Russlands bei gleichbleibend steigender Nachfrage führen beim Erdöl zu einer unaufhaltsam anwachsenden Angebotslücke im vierten Quartal. Deshalb ist in den kommenden Monaten mit einem hohen Ölpreis zu rechnen. Basismetalle dürften dagegen konjunkturbedingt unter Druck geraten, bilden aber aufgrund der Energiewende und der ebenfalls bestehenden Angebotslücke ein attraktives langfristiges Anlagethema.
Die gegenüber den übrigen Hauptwährungen hohe Zinsdifferenz hat seit Mitte 2021 v.a. gegenüber dem EUR und JPY zu einer Aufwertung des USD geführt. Da die kurzfristigen USD-Zinsen nicht mehr weiter steigen, sollte die relative USD-Stärke beendet sein. Die anhaltende Aufwertung des CHF, der aufgrund relativ tiefer Teuerungsraten als «Safe Haven» gilt, sollte infolge des unerwarteten Ausbleibens eines weiteren Zinsschritts der SNB im September an Kraft verlieren.
Die folgenden Szenarien beschreiben die aus unserer Sicht zwar möglichen, aber für uns weniger wahrscheinlichen wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Szenarien geben einen Hinweis darauf, wie sich solche weniger wahrscheinlichen Entwicklungen auf unsere aktuelle Anlagestrategie auswirken würden.
Das negative Szenario hat seit der letzten Lagebeurteilung an Gewicht zugenommen. Zum einen werden die Teuerungsraten nach einem temporären Rückgang im nächsten Jahr wieder ansteigen, sodass die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale erneut zunimmt. Die Notenbanken werden des-halb die Leitzinsen länger als erwartet, mindestens bis Ende 2024, hochhalten. Entsprechend bilden sich auch die langfristigen Renditen nicht zurück und die inversen Zinsstrukturkurven bleiben be-stehen. Gleichzeitig mündet die bereits laufende weltweite Konjunkturabschwächung in eine hand-feste Rezession. Die Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft (nach Covid) löst nur einen kurzfristigen Aufschwung aus und kann der Weltwirtschaft deshalb auch keine Stütze bieten. Chinas Wirtschaft leidet unter Überinvestitionen, sowie hoher und zunehmender Verschuldung von Gebietskörperschaften und Immobilienunternehmen. In der Folge weiten sich die Kreditrisikoprämien an den Anleihemärkten aus, begleitet von einer Korrektur an den Aktienmärkten mit bis zu zweistelligen Kursverlusten.
Fazit: «sichere Häfen» wie Staatsanleihen (gute Bonität) und Gold, sowie die Währungen CHF und JPY sind zu bevorzugen.
Dieses Szenario hat eine sehr tiefe Wahrscheinlichkeit. Hierbei sinken die Inflationsraten aufgrund einer kurzfristig nachlassenden Wirtschaftsaktivität in Reaktion auf die restriktive Geldpolitik der Notenbanken rasch in die Nähe des Zielbereichs der Notenbanken von 2.0%. Darauf tritt eine Lockerung der Geldpolitik ein, indem die Leitzinsen bereits kurzfristig gesenkt werden. Dadurch fallen auch die langfristigen Renditen, wodurch sich die Zuversicht von Industrie und Konsumenten deut-lich verstärkt. In der Folge ist mit einer zeitnahen und nachhaltigen konjunkturellen Erholung zu rechnen.
Fazit: Aktien zyklischer Sektoren und Rohstoffanlagen sind im Vorteil. Indirekte Immobilienanlagen profitieren von den fallenden Zinsen.
Matthias Wirz, 30. September 2023