Fremdfinanzierung selbstbewohnter Liegenschaften

Die Schweizer Privathaushalte haben weltweit mit Abstand die höchste Schuldenquote. Mit 130% der Wirtschaftsleistung (BIP) liegt sie deutlich über dem Durchschnitt der entwickelten Länder von 75%. Getrieben wird die private Verschuldung hauptsächlich durch die Hypotheken für selbstbewohnte Liegenschaften.

Hauptursachen für die hohe Fremdfinanzierung

1. Im weltweiten Vergleich hohe Landpreise und Baukosten

Der Mittelstand kann heute - mindestens in urbanen Gebieten - die notwendigen Eigenmittel für den Erwerb von Wohneigentum kaum mehr aufbringen, es sei denn man kann auf Erbvorbezüge, Schenkungen oder WEF-Gelder zurückgreifen. Das Eigenheim wird deshalb bis 80% fremdfinanziert. Die Sparquote der Haushalte für substanzielle Rückzahlungen der Hypothekarverschuldung ist dabei bescheiden.

2. Die Besteuerung des Eigenmietwertes als fiktives Einkommen

Die Besteuerung des fiktiven Mietwerts der eigenen Liegenschaft, wogegen die Schuldzinsen mit minimen Einschränkungen (bis max. steuerbare Vermögenserträge + CHF 50‘000) vom steuerbaren Einkommen abgesetzt werden können, reduziert die Bereitschaft zu Kreditrückzahlungen. Die Tiefzinsphase hat diesen Effekt noch verstärkt.
Aktuell ist die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung wieder auf der politischen Agenda.

3. Hohe Vermögenssteuern in vielen Kantonen

Anders als in umliegenden Ländern werden in der Schweiz von den privaten Haushalten Vermögenssteuern erhoben. Schulden können vollumfänglich vom steuerbaren Vermögen in Abzug gebracht werden. Hypothekarschulden sind deshalb ein probates Mittel, Vermögenssteuern zu vermeiden, bzw. diese substanziell zu reduzieren.

4. Keine absolute Amortisationspflicht

Gemäss den aktuellen Richtlinien von SwissBanking ist die Hypothekarschuld innert 15 Jahren mindestens auf 2/3 des Belehnungswertes der Liegenschaft zu reduzieren. Die Kreditgeber sind ausserdem angehalten, bei bonitätsrelevanten Ereignissen eine Prüfung vorzunehmen und geeignete Massnahmen daraus abzuleiten. Sie können bspw. zusätzliche Amortisationen aufgrund fehlender Tragbarkeit nach der Pensionierung verlangen.

Wann sind freiwillige Amortisationen sinnvoll?

Anders präsentiert sich die Situation bei Haushalten, die über ausreichend liquide Vermögenswerte verfügen, um bestehende Schulden zu reduzieren. Neben der oben erwähnten steuerlichen Sichtweise rückt die Liquidität sowie die Rendite- und Risikobetrachtung ins Zentrum. Ob eine Rückzahlung der Schulden sinnvoll ist, hängt im Wesentlichen von den folgenden Faktoren ab:

Einkommenssituation, Liquiditätsbedarf/-reserve

Risikobereitschaft und abgeleitet davon die gewählte Anlagestrategie und Zielrendite der freien Vermögenswerte

Grenzsteuerbelastung bei der Einkommens- und Vermögenssteuer

Zukünftige Besteuerung des Eigenmietwerts

Erwartete Preisentwicklung von Wohnimmobilien

Im Grundsatz gilt, dass die Tilgung von Krediten das Budget entlastet. Entscheidend ist allerdings, dass Liquiditätsreserven für den Lebensunterhalt gesichert sind. Eine Wiederaufnahme von Hypotheken, bspw. für die Bestreitung von Krankheits- und Pflegekosten, ist später nur erschwert möglich.

Unsere Empfehlungen

Liquitätsreserven: Sind die Liquiditätsreserven nicht zinsbringend angelegt oder liegt deren Rendite unter den Zinskosten der Hypothek, sollte mindestens der nicht für die Lebenshaltung erforderliche Teil zurückbezahlt werden.

Risikobehaftete Anlagestrategie: Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn eine risikobehaftete Strategie z.B. mit einem hohen Aktienanteil über mittlere Frist Erträge und Kapitalgewinne erzielt, die deutlich über den Zinskosten liegen. Ist die Risikobereitschaft und –fähigkeit gegeben, lohnt sich diese Strategie auch aus steuerlichen Gründen, da Kapitalgewinne bei Privatpersonen nicht besteuert werden. Aufgrund des Tiefzinsumfelds bleiben die steuerbaren Erträge eher tief und somit haben Schuldzinsen in der Tendenz eine dämpfende Wirkung auf die Höhe der Einkommenssteuer. Es verbleibt ein positiver Einkommenseffekt nach Steuern. Dafür muss ein erhöhtes Anlagerisiko aufgrund des fixen Schuldenbetrages in Kauf genommen werden, welches besonderes bei Börseneinbrüchen die Risikotoleranz strapaziert.

Schuldzinsabzug: Sollte die Eigenmietwertbesteuerung und somit auch der Schuldzinsabzug abgeschafft werden, ist eine Kreditrückzahlung aus steuerlicher Perspektive in den allermeisten Fällen sinnvoll.

Hohe Belehnung: Es ist ratsam, Amortisationen bei hoher Belehnung zu leisten, damit auch in einem schwierigen Finanzmarktumfeld und/oder bei sinkenden Immobilienpreisen die Kredithöhe gehalten werden kann und die Zinszahlungen gesichert sind. Umfang und Staffelung der Rückzahlungen sind aufgrund einer Analyse der individuellen Situation festzulegen.

Sprechen Sie uns darauf an, gerne stehen wir für eine Beurteilung Ihrer Finanzsituation zur Verfügung.

30.9.2020, Martin Wegmüller