Korrektur an den Aktienmärkten weitet sich aus

  • Auf dem gegenwärtig hohen Zinsniveau ist die Gewinnkomponente für die Aktienbewertung von entscheidender Bedeutung.
  • Zumindest hellten die Unternehmensberichte von Microsoft und Alphabet (Google) zum 1. Quartal die zurzeit schlechte Stimmung der Anleger auf.
  • Trotz unternehmensspezifischer Probleme sollten sich Roche und Nestlé in einer allfälligen Marktkorrektur relativ gut behaupten.
Matthias Wirz
«In den kommenden Monaten ist mit einer mindestens leichten Abkühlung an den Aktienmärkten zu rechnen. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Nachdem sich die Aktienmärkte zu Beginn der Woche von den starken Kursverlusten der letzten Woche teilweise erholt hatten, führten die Daten zum US-Wirtschaftswachstum (BIP) im 1. Quartal zu erneut fallenden Märkten. Dabei blieb das BIP mit 1.6% hinter den Erwartungen von 2.5% zurück, doch der überraschend kräftige Anstieg des Kern-Preisdeflators von 2.0 % auf 3.7% lieferte die noch grössere Enttäuschung. Da die amerikanische Notenbank (FED) ein besonderes Augenmerk auf diese Inflationsgrösse wirft und eine Zielgrösse von 2% vorgibt, steigt der Druck, die erste Leitzinssenkung weiter aufzuschieben. Die Geld- und Obligationenmärkte haben entsprechend reagiert und erwarten nun frühestens im September einen ersten Schritt. Während die Märkte noch Mitte Januar für dieses Jahr Leitzinssenkungen des FED von insgesamt 1.30% erwarteten, sind es nach den jüngsten Teuerungsdaten nur noch 0.30%! 


Aktuelle Situation

Dagegen ist zurzeit nicht von neuerlich steigenden Leitzinsen auszugehen, wie es von Seiten einiger Marktteilnehmer inzwischen diskutiert wird und für die risikotragenden Anlageklassen ein «Worst Case»-Szenario darstellen würde. Das Hauptargument liefert die längst genügend restriktive Geldpolitik des FED, welche sich in hohen nominalen und realen Gelmarktzinsen und einem starken USD widerspiegelt. Ausserdem würden weitergehende Leitzinserhöhungen das zweite Ziel des FED, für niedrige Arbeitslosigkeit zu sorgen, zweifellos gefährden, weil die sich bereits abkühlende Konjunktur in eine Rezession abgleiten könnte.

Die 10-jährige USD-Staatsanleiherendite kletterte in der Berichtswoche von 4.60% auf 4.70% an und nähert sich dem letztjährigen Höchstwert von 5.0% weiter an. Die eng korrelierte Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe erhöhte sich in der gleichen Zeitspanne von 2.5% auf über 2.6%, das höchste Niveau seit November 2023.

In Europa zeichnet sich eine zaghafte Erholung in der Industrie ab, wenngleich auf tiefem, rezessivem Niveau. Dabei sendet der dritte Anstieg des ifo-Index in Folge ein positives Signal für die deutsche Wirtschaft und könnte zu Aufwärtsrevisionen der bisher düsteren Wachstumsprognosen für 2024 führen.

Nicht nur der jüngste Anstieg der kurz- und langfristigen Zinsen verschlechtert das fundamentale Umfeld für die Aktienmärkte, sondern auch die teils eingetrübten Ausblicke der Unternehmen für das laufende Jahr. So überraschte der Technologiekonzerns Meta zwar mit seinen Gewinnzahlen positiv, doch verursachte die Ankündigung, die Ausgaben in künstliche Intelligenz deutlich zu steigern, ohne dass dies zeitnah zu steigenden Erträgen führen wird, einen Kursverlust von 15%.

Auf dem gegenwärtig hohen Zinsniveau ist die Gewinnkomponente für die Aktienbewertung von entscheidender Bedeutung. Um den ausgeprägt negativen Einfluss steigender Zinsen auf den Gegenwartswert einer Aktie oder aggregiert eines Aktienmarktes zu kompensieren, sind kräftig steigende Gewinnerwartungen eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Entsprechend führen bereits kleine Verfehlungen der Konsenserwartungen zu massiven Kursverlusten der betroffenen Unternehmen, während positive Überraschungen weniger belohnt werden.

Zumindest hellten die «überragenden» Unternehmensberichte von Microsoft und Alphabet (Google) zum 1. Quartal die miserable Stimmung der Anleger vorübergehend auf. Microsoft steigerte den Umsatz im Jahresvergleich um 17% auf USD 62 Mrd. und den Gewinn um 20% auf USD 22 Mrd., was einer Gewinnmarge von 35% entspricht. Bei Google lauten die entsprechenden Zahlen USD 80.5 Mrd. resp. USD 23.7 Mrd. Zum (nicht ganz fairen) Vergleich: die beiden Technologiekonzerne erzielen in einem Quartal jeweils etwa so viel Umsatzerlöse wie Novartis oder Roche in einem ganzen Jahr. Während Novartis mit einem überzeugenden Quartalsbericht und Anhebung der eigenen Wachstumsziele die Marktteilnehmer positiv überraschte, enttäuschte Roche abermals auf der ganzen Linie. Umsatz und Gewinn blieben hinter den Erwartungen zurück, da sich die Umsatzrenner Ocrevus (MS), Tecentriq (Krebs) und Evrysdi (Spinale Muskelatrophie) weniger gut verkauften als gedacht. Einzig das Augenmittel Vabysmo übertraf selbst die gewagtesten Schätzungen. Schliesslich kam auch Nestlé, der höchstkapitalisierte Titel im schweizerischen Aktienindex (SPI), in den ersten drei Monaten des Jahres nicht vom Fleck. Das stagnierende Absatzvolumen dominierte wie bereits in den letzten Quartalen unverändert den Unternehmensbericht von Nestlé. Zumindest wird eine Umsatzbelebung in den kommenden Monaten in Aussicht stellte.


Unsere Empfehlung

In den kommenden Monaten ist mit einer mindestens leichten Abkühlung an den Aktienmärkten zu rechnen. Die vorübergehend höheren Inflationsraten, die wahrscheinliche Verschiebung der ersten Leitzinssenkung in den USA und die teilweise hohen Bewertungen sind unverändert die wichtigsten Argumente für eine defensivere Positionierung. Folgerichtig haben wir begonnen, die Übergewichtung der Aktienquote abzubauen, insbesondere im US-Technologiesektor (Nasdaq). Die Positionen im Rohstoffbereich (Energie, Gold und Basismetalle) bleiben davon jedoch unberührt. Auch die Quote des schweizerischen Aktienmarkts wird aufgrund seiner hohen Konzentration des grundsätzlich stabilen Gesundheitssektors (Novartis, Roche) und nicht-zyklischen Konsums (Nestlé) nicht wesentlich reduziert. Trotz der oben genannten Probleme sollten sich Roche und Nestlé in einer allfälligen Marktkorrektur relativ gut behaupten. Der Verkaufserlös aus dem Abbau der Aktienanlagen wird teilweise in hochwertige CHF- und USD-Unternehmensobligationen reinvestiert.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Abbau Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien: Verkauf EQQQ, CSSPX; Obligationen: 2.1% KS Aarau 34         
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum
Themen: Basis- und Edelmetalle und Energie

Matthias Wirz, 26. April 2024