«Die Obligationenmärkte sorgen sich über das im amerikanischen Kongress beschlossene äusserst expansive Budget.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
Die Erholung an den Aktienmärkten ist nach dem Einbruch Anfang April - aufgrund der Zollankündigung der Regierung Trump - zuletzt in Stocken geraten. Zum einen ist der Ausgang der Zoll-Verhandlungen zwischen den USA und den betroffenen Ländern mit grösseren Fragezeichen verbunden. Gegenwärtig sind erst die Verhandlungen mit Grossbritannien faktisch erfolgreich abgeschlossen worden, diejenigen mit Japan und China hingegen bestenfalls auf gutem Wege. Die Gespräche mit der EU gestalten sich zurzeit offensichtlich also so schwierig, dass Trump androhte, ab dem 1. Juni Importzölle von 50% auf sämtliche EU-Produkte zu erheben. Mittlerweile ruderte Trump nach einem «netten» Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zurück und schob die Zölle auf den 9. Juli auf.
Zum anderen sorgen sich die Anleihenmärkte über das im amerikanischen Kongress mit äusserst knapper Mehrheit von 215:214 beschlossene Budget. Dabei sollen die ursprünglich am Ende dieses Jahres auslaufenden Steuersenkungen aus Trumps erster Laufzeit (2017-2021) verlängert und weitere Erleichterungen beschlossen werden, so zum Beispiel für Trinkgelder, Überstunden und Zinsen auf Autokredite. Zur Gegenfinanzierung sind erhebliche Kürzungen bei den Sozialausgaben und Subventionen zugunsten der Energiewende geplant. Dagegen regt sich im Senat grösserer Widerstand, sodass noch mit erheblichen Änderungen zu rechnen ist, bis das Budget im August endgültig verabschiedet wird. Ersten Schätzungen zufolge könnten die Budgetdefizite - ohne Änderungen im Senat - in den nächsten 10 Jahren um weitere USD 4-5 Bio. (!) ansteigen und dadurch weiterhin 5%-6% des BIP pro Jahr erreichen. Für die Behauptung der Regierung, dass Einsparungen (DODGE), Zölle und höheres Wirtschaftswachstum die Steuersenkungen auffangen werden, gibt es historisch keine Evidenz.
Dieser fiskalpolitisch beunruhigende Ausblick hat an der jüngsten Auktion einer 20-jährigen USD-Treasury-Anleihe trotz eines Kupons von 5% zu einer äusserst schwachen Nachfrage der Anleger geführt. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die gegenwärtig - und wahrscheinlich auch künftig - hohen Budgetdefizite zu einer ernsthaften Bedrohung für die USA und Finanzmärkte werden. Der unbestrittene Reservestatus des USD und die aufgrund der hohen Sicherheit und Liquidität starke strukturelle Nachfrage nach USD-Treasuries setzen die USA in die komfortable Situation, dass sie sich (beinahe) beliebig in ihrer eigenen Währung verschulden können. Ausserdem könnte die amerikanische Notenbank (FED) jederzeit Treasuries im grossen Umfang zukaufen, um die Liquidität auf dem Markt zu gewährleisten und dadurch die Investoren zu beruhigen. Dennoch ist künftig mit tendenziell (leicht) steigenden realen Renditen zu rechnen, welche die 10-jährigen nominalen Renditen bei stabilen Inflationserwartungen (ca. 2.4%) nachhaltig auf ein Niveau von 4.5%-5.0% treiben könnte. Unterstützt wird der Trend steigender (realen) Renditen zudem durch die «Baby-Boomer-Generation», welche in den kommenden Jahren laufend in Rente gehen wird. Dadurch wird der hohe globale Sparüberschuss abgebaut (Entsparprozess), sodass immense Portfolio-Bestände an Staatsanleihen auf den Markt kommen. Diese werden das Angebot an Treasuries zusätzlich erhöhen.
In Europa hat die Erholung des Einkaufsmanagerindex im Mai mit einer Abnahme von 50.4 auf 49.5 einen Rückschlag erlitten. Demgegenüber setzte sich in Deutschland der positive Trend des ifo-Index - wenngleich langsam - fort. Da sich die Teuerungsrate weiter zurückbildet, ist im Übrigen am 5. Juni mit einer erneuten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 0.25% von 2.25% auf 2.00% zu rechnen.
Die weltweiten Aktienmärkte befinden sich nach Kursrallye – der MSCI World legte seit dem Tiefststand am 08.04.25 um über 19% zu – gegenwärtig in einer Konsolidierungsphase. Hierfür ist zum einen die inzwischen erneut hohe Bewertung des amerikanischen Marktes und neu auch der europäischen Märkte (insbesondere des DAX) verantwortlich. Zum anderen belasten die infolge der expansiven Fiskalpolitik (vgl. weiter oben) steigenden USD-Langfristzinsen und zollbedingte Abwärtsrevisionen der Unternehmensgewinne die Aktienmärkte. Entsprechend sinkt der aggregierte Barwert der in den Aktienindizes enthaltenen Unternehmen. Gleichzeitig bilden sich die Risikoprämien (Gewinnrendite – 10-jährige Anleiherendite) zurück, wodurch Obligationen gegenüber Aktienanlagen wieder attraktiver werden. Gegenwärtig notiert die Risikoprämie des S&P 500 mit +0.12% nur noch knapp im positiven Bereich. Demgegenüber weisen schweizerische und japanische Aktien (noch) attraktive Bewertungen aus.
Als zwingende Voraussetzungen für mittelfristig weiter steigende Aktienmärkte sind an erster Stelle die dauerhafte Aussetzung der von den USA einseitig beschlossenen Importzölle oder mindestens deren Begrenzung auf den Grundzoll von 10% zu nennen. Damit würde für Konsumenten und Unternehmen Klarheit für ihre Konsum- und Investitionspläne bestehen, wodurch die Konjunkturrisiken signifikant sinken würden. Darüber hinaus gewinnen die Zentralbanken in diesem Fall an zinspolitischem Spielraum, da die Inflationserwartungen sinken dürften.
Wir setzen aufgrund der attraktiven Dividendenrendite (3%), des unterdurchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnisses (18.5) und der Aussicht auf weitere Zinssenkungsschritte der SNB vor allem auf den schweizerischen Aktienmarkt (SPI). Während im Versicherungssektors nur noch beschränktes Kurspotential besteht, sollten die weitgehend konjunkturunabhängigen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit übergewichtet werden. In diesen Sektoren sind die Aktien von Nestlé, Givaudan, BKW, Swisscom, Roche, Lonza und Novartis zu empfehlen.
Obligationen: Untergewichtung; 4 – 8-jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Neutral-leichte Übergewichtung; Schweiz bevorzugen
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern; EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle und Energie untergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten, Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien: - ; Obligationen:
1.06% Linde 2033
Sektoren: Übergewichtung nicht-zyklischer Konsum, Versorger, Gesundheit
Matthias Wirz, 26. Mai 2025