Comeback der Rohstoffe?

  • Daher ist die Übergewichtung der Aktienquote zu überprüfen und ein «Rebalancing» (Rückführung der angestiegenen Aktienquote auf Strategieniveau) zu diskutieren.
  • Auf den Rohstoffmärkten sind die Energie-, Basis- und Edelmetallpreise seit Anfang Jahr deutlich angestiegen.
  • Der Investitionszyklus bei Rohstoffen dauert extrem lange. Deshalb dürften Angebotsdefizite auf Jahre hinaus bestehen bleiben und folglich für langfristig höhere Preise sorgen.
Matthias Wirz
«In den kommenden Wochen könnte die Rallye an den Aktienmärkten, welche nun beinahe sechs Monate anhält, zu Ende gehen. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Eine nach dem langen Osterwochenende eher ruhige Handelswoche nahm am Donnerstag ein jähes Ende. Die Eskalation im Nahen Osten mit einem möglichen Angriff Irans auf Israel und dessen zu erwartende «robuste Reaktion» führte zu einem weiteren Sprung des Ölpreises von USD 84 auf USD 87 pro Barrel. Zusammen mit überraschend vorsichtigen Äusserungen von Vertreten der amerikanischen Notenbank (FED) erlitt der S&P 500 in der Berichtswoche einen kräftigen Rückgang von 2%. Aus den gleichen Gründen erhöhten sich auch die Risikoprämien (Spreads) der Unternehmensanleihen.


Aktuelle Situation

In seinen jüngsten Aussagen bestätigte FED-Präsident Powell zwar, dass die Erwartungen für niedrigere Leitzinsen in diesem Jahr grundsätzlich intakt sind. Er betonte dabei aber erneut, dass noch handfestere Hinweise auf weiter fallende Teuerungsraten in den Zielbereich des FED von 2% benötigt werden, bevor mit Leitzinssenkungen begonnen werden kann. Der zwischenzeitliche Anstieg der Teuerungsrate (CPI) von 3.1% im Januar auf 3.2% im Februar wird vom FED hingegen (noch) nicht als alarmierend, sondern als temporär interpretiert. Ausserdem legt das FED in seiner Entscheidungsfindung mehr Wert auf den Konsumausgaben-Deflator (PCE, Preisindex der persönlichen Konsumausgaben), der sich mit einem Wert von 2.8% dem FED-Ziel bereits merklich angenähert hat. Der grösste Unterschied zwischen CPI und PCE besteht in der ausgeprägteren Flexibilität des PCE, da er die sich über die Zeit verändernden Konsumgewohnheiten der Einwohner berücksichtigt. Weitere Unterschiede bestehen in der Berechnungsmethodik und Datenerhebung.

Andere FED-Mitglieder zeigten sich in dieser Woche besorgter über die Inflationsentwicklung als Powell. So würde der gegenwärtig nicht stimmberechtigte Kashkari des regionalen FED von Minneapolis ganz auf Zinssenkungen verzichten, sofern sich die Teuerungsrate nicht weiter zurückbildet und das Wirtschaftswachstum robust bleibt. Allerdings fehlt es gegenwärtig an stichhaltigen Hinweisen, dass die Zinswende des FED aufgeschoben werden könnte. Dies bildet zwar tatsächlich ein Risiko-Szenario, dem wir aber eine geringe Wahrscheinlichkeit zuordnen. Diesbezüglich dürfte der Arbeitsmarktbericht für März mehr Klarheit schaffen, indem der Wert der neu geschaffenen Stellen entweder deutlich über den Erwartungen von 214'000 ausfällt und dementsprechend das Risiko-Szenario stützt, oder aber umgekehrt, wenn der Wert darunter ausfällt.

In Europa ist die Inflationsrate für März mit 2.4% leicht unter den Erwartungen von 2.5% ausgefallen. Schliesslich notierte auch die Kernrate ohne Energie- und Nahrungsmittel mit 2.9% erstmals seit zwei Jahren wieder unter 3%. Damit dürfte auch die EZB im Juni eine erste Leitzinssenkung beschliessen, gefolgt von 2-3 weiteren im Verlaufe des Jahres. Negativ zu werten ist jedoch die noch immer hartnäckige Teuerung im Dienstleistungssektor, welche den fünften Monat in Folge auf 4.0% verharrte. Haupttreiber für die Teuerung im Dienstleistungssektor sind die hohen vergangenen und laufenden Lohnabschlüsse der Tarifpartner. Entsprechend werden aufgrund der hohen Gewichtung der Dienstleistungen von etwa 45% im Warenkorb weitere Rückgänge der Inflationsrate in Richtung Zielmarke der EZB von 2% erschwert.

Auf den Rohstoffmärkten sind die Energie-, Basis- und Edelmetallpreise seit Anfang Jahr deutlich angestiegen. Dabei stehen an erster Stelle die Energiepreise, welche von der Nahostkrise und den Produktionskürzungen der OPEC angetrieben werden. Ausserdem wird auch die allmähliche konjunkturelle Erholung Chinas den Ölpreis in den kommenden Monaten positiv beeinflussen. Folglich warnte die internationale Energieagentur (IEA), dass ab dem zweiten Quartal ein Defizit in der Ölversorgung anstehen wird, falls die OPEC ihre reduzierten Förderquoten beibehält.

Nachdem die Basismetallpreise in den letzten zwei Jahren infolge des Lagerabbaus nach der Corona-Krise und des Konjunkturabschwungs in China heftig korrigierten, setzte seit Anfang März eine kräftige Erholung ein. Das voraussichtliche Ausbleiben einer weltweiten Rezession und die Aufstockung der nach der Covid-Pandemie (nicht nur) in China leeren Lager dürften - zusammen mit dem durch die Energiewende verursachten Nachfrageschub - die Angebotsdefizite vor allem von Kupfer, Nickel, Aluminium und Zink weiter verschärfen. Da der Investitionszyklus bei Rohstoffen extrem lange (teilweise bis zu 15 Jahre) dauert, bis neue Minen in Betrieb genommen werden können, dürften Angebotsdefizite auf Jahre hinaus bestehen bleiben und folglich für langfristig höhere Preise sorgen.

Schliesslich verzeichnen auch die Edelmetalle Gold und Silber in den letzten Wochen einen fulminanten Preisanstieg. Die Langfristzinsen, zunehmende ETF-Volumen und vor allem anhaltende Käufe der Zentralbanken aus den Schwellenländern (China, Indien und  Russland) sollten den Goldpreis auch künftig antreiben. Davon werden wiederum Goldminenaktien überdurchschnittlich profitieren.


Unsere Empfehlung

In den kommenden Wochen könnte die Rallye an den Aktienmärkten, welche nun beinahe sechs Monate anhält, zu Ende gehen. Erneut aufkeimende Inflationsängste infolge höherer Rohstoffpreise, entsprechend Enttäuschungspotential bei den Zinssenkungserwartungen, sich verschärfende geopolitische Risiken und besonders hohe Bewertungen am US-Aktienmarkt sind nur einige der Gründe für eine mögliche Korrektur. Daher ist die Übergewichtung der Aktienquote zu überprüfen und ein «Rebalancing» (Rückführung der angestiegenen Aktienquote auf Strategieniveau) zu diskutieren. 

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Leichte Übergewichtung; Schweiz, USA und UK übergewichten; Japan, Schwellenländer und Europa neutral gewichten
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien: Verkauf LONN, Anlagefonds Japan; Obligationen: 
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum, US Tech-Megacaps
Themen: Basismetalle und Energie

Matthias Wirz, 05. April 2024