«Die SNB nutzte ihren hinzugewonnenen Spielraum konsequent aus.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Finanzmärkte wie bereits im September mit einer kräftigen Leitzinssenkung um 0.50% von 1.00% auf 0.50% überrascht. Mit der vierten Senkung in Folge nutzte die SNB ihren aufgrund der weiter fallenden Inflationsraten hinzugewonnenen Spielraum konsequent aus. Damit setzt die neue SNB-Führung unter Präsident Martin Schlegel ein klares Signal, ein stetiges Unterschiessen der Teuerung unter den Zielbereich von 1%-2% nicht zu tolerieren. Gleichzeitig versucht die SNB, mit diesem Zinsschritt den CHF zu schwächen und dadurch die exportabhängige Wirtschaft anzuschieben. Die jüngste Frankenstärke insbesondere gegenüber dem EUR führte zu einem deutlichen Rückgang der Importpreise, welcher im Inflationsmodell der SNB unterschätzt wurde und folglich zu wiederholten Abwärtskorrekturen der Inflationsprognose durch die SNB-Ökonomen führte. Für das kommende Jahr erwartet die SNB nun nur noch eine Teuerung von 0.30%, mit dem Risiko, dass diese auf 0% oder sogar darunter absinken könnte.
Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 0.25% von 3.25% auf 3.00% war hingegen keine Überraschung, da sich die Teuerung in der Eurozone bereits seit einigen Monaten nahe an den Zielbereich von 2% zurückgebildet hat. Das eröffnet einerseits Spielraum, aber andererseits sorgt sich die EZB viel mehr um die zurzeit äusserst schwache Konjunktur. Diese könnte sich im kommenden Jahr angesichts der drohenden Handelskonflikte mit den USA und China und der damit verbundenen Einführung von hohen Zöllen durchaus noch verschlimmern. Dennoch erwartet die EZB eine langsame Konjunkturerholung im neuen Jahr, unterstützt durch den starken USD und das tiefere Zinsniveau. Gleichzeitig werden die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft betont, weshalb die EZB eine weitergehende Lockerung der Geldpolitik – unter dem Vorbehalt der Datenabhängigkeit – signalisiert.
Im Gegensatz zu früher fallen zudem die beiden wirtschaftlich stärksten Länder Frankreich und Deutschland als Konjunkturlokomotiven aus. In beiden Ländern herrscht politischer Stillstand sowie ein grosser Reformstau, der auch von den noch zu bildenden neuen Regierungen kaum angegangen wird. Bezeichnend dafür ist die historisch seltene Tatsache, dass beide Länder ohne Verabschiedung eines ordentlichen Staatshaushalts ins neue Jahr starten.
«Aller guten Dinge sind drei»: auch die amerikanische Notenbank (FED) dürfte die nächste Zinssenkung um 0.25% von 4.75% auf 4.50% in der kommenden Woche vollziehen. Anders als in Europa engt sich der Spielraum für das FED zunehmend ein, da die Teuerungsrate mit zuletzt 2.70% im November hartnäckig über dem Zielbereich des FED von 2% verharrt. Daher ist der weitergehende Zinspfad des FED unsicher, insbesondere mit Bezug auf Trumps Zollpolitik, welche die Inflation erneut befeuern könnte. Hier liegt denn auch das grösste Enttäuschungspotential für die Finanzmärkte, da das FED einen erneuten Inflationsschub nicht akzeptieren dürfte und deshalb die geldpolitische Lockerung frühzeitig stoppen könnte.
Die Aktienmärkte lassen sich von solchen Negativszenarien im Moment jedoch nicht irritieren und legten zwischenzeitlich bis auf erneute Allzeit-Höchststände zu. Von der guten Stimmung an den Börsen profitierten in der Berichtswoche vor allem die Technologiewerte, welche gemessen am Nasdaq 100 in diesem Jahr über 30% zulegten. Auch der Goldpreis profitierte von der Aussicht auf den nächsten Zinsschritt, noch ausgeprägter die Kryptowährungen, wobei der Bitcoin (BTC) über die Marke von 100.000 USD sprang. Der BTC profitiert vom rasch zunehmenden Interesse institutioneller Investoren, welche die Anlageklasse seit der Lancierung von ETFs in den USA zunehmend in der Asset Allokation berücksichtigen.
Insgesamt sind die Aussichten für die risikotragenden Anlageklassen Aktien und Unternehmensanleihen auch für 2025 grundsätzlich positiv. Das tiefere Zinsniveau und solide Gewinnerwartungen bilden ein günstiges fundamentales Umfeld für Aktienanlagen. Darüber hinaus wird der expansive Policy-Mix der Regierung Trump das Wirtschaftswachstum stimulieren, wobei besonders die geplante Steuersenkung für Unternehmen von 21% auf 15% zu erwähnen ist. Dergestalt werden die USA zur Konjunkturlokomotive für die Weltwirtschaft, wovon auch die schwächelnden Regionen - trotz der geplanten Einfuhrzölle - Europa und Asien profitieren dürften.
Neben der hohen Bewertung des US-Technologiesektors bildet eine mögliche Überhitzung der amerikanischen Wirtschaft ein weiteres Risiko für die globalen Aktienmärkte. Da wirtschaftspolitische Massnahmen üblicherweise eine erhebliche Wirkungsverzögerung verzeichnen, ist in den USA jedoch erst Ende 2025 mit wieder leicht steigenden Teuerungsraten zu rechnen.
Sollten amerikanische Aktien auch im neuen Jahr eine positive Performance erzielen, ist in Europa aufgrund des historisch aussergewöhnlich hohen Bewertungsabschlags von über 40% mit einer Kurserholung zu rechnen. Dies gilt umso mehr, sollte sich die politische Lage in der Ukraine und dem Nahen Osten beruhigen und dadurch die Energiepreise deutlich sinken.
Der schweizerische Aktienmarkt wiederum ist gleichfalls günstig bewertet und wird aufgrund der Kursschwäche der drei Index-Schwergewichten Nestlé, Novartis und Roche arg belastet. Angesichts der Dividendenrenditen von 4% und hohen Risikoprämien von bis zu 7% ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Nachfrage von grossen ausländischen institutionellen Anlegern wiedererwacht.
Die kotierten CH-Immobilienfonds schliesslich haben den zinsbedingt heftigen Rückschlag in 2022 in diesem Jahr mehr als wettgemacht. Angetrieben durch das tiefe Zinsniveau haben sich die Aufschläge gegenüber dem inneren Wert (Agio) von nahe 0% Ende 2023 auf mittlerweile wieder 29% erhöht. Damit ist das weitere Kurspotential der Immobilienfonds als gering einzustufen, wobei die attraktive Ausschüttungsrendite von durchschnittlich 2.40% dennoch weitere Anleger anziehen sollte.
Obligationen: Untergewichtung; Ausbau Unternehmensanleihen: 4 - 8jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Übergewichtung, USA, UK und Schweiz bevorzugen.
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien:- Obligationen:-
Sektoren: Übergewichtung Technologie, Gesundheit, zyklischer Konsum
Wir verabschieden uns mit diesem Wochenbericht in die Festtagspause und wünschen Ihnen allen ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Der nächste Wochenbericht erscheint wieder am 17. Januar 2025.
Matthias Wirz, 13. Dezember 2024