«Die Aktienmärkte steigen trotz der geopolitischen Risiken und der möglichen Einführung der angedrohten Importzölle auf Allzeit-Hochs.» Matthias Wirz

Erstaunlich robuste Aktienmärkte

  • Reduktion der US-Aktienquote.
  • Der S&P 500 verzeichnet mittlerweile eine negative Risikoprämie - ein Anzeichen einer deutlichen Überbewertung.
  • Haupttreiber dürften Erwartungen auf sinkende Leitzinsen der Notenbanken sein.
Matthias Wirz
«Die Aktienmärkte steigen trotz der geopolitischen Risiken und der möglichen Einführung der angedrohten Importzölle auf Allzeit-Hochs.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Die Finanzmärkte zeigten sich in der Berichtswoche erneut stabil, obwohl neue Strafzölle der USA unter Präsident Donald Trump für Nervosität bei den Anlegern sorgten. Trump hatte über das letzte Wochenende unerwartet Importzölle von 30% - und somit noch höher als am 2. April angekündigt - gegen EU-Güter ab dem 01.08.25 eingeführt. Im Weiteren dürften die Massnahmen weltweit auf verschiedene Länder ausgeweitet werden. Während Ökonomen und Analysten mit Bedenken und Vorsicht bezüglich Wirtschafts- und Gewinnwachstum der Unternehmen reagierten, blieb der befürchtete Ausverkauf an den weltweiten Börsen bisher aus, im Gegenteil: der DAX legte um 1% zu, der S&P 500 und der SMI um je 0.5% und der Nasdaq kletterte mit 1.3% auf ein neues Allzeit-Hoch. 

Aktuelle Situation

Besonders auffällig ist, dass die Aktienmärkte trotz der bestehenden geopolitischen Unruheherde im Nahen Osten und in der Ukraine sowie der möglichen Einführung der angedrohten Importzölle weiter auf äusserst hohen Niveaus notieren. Neben dem Nasdaq haben ausserdem die europäische Leitindizes wie der DAX und der FTSE 100 in den letzten Tagen neue Allzeithochs erreicht. Umso erstaunlicher ist diese Entwicklung in Anbetracht der im historischen Vergleich hohen Bewertung in den USA, aber auch des DAX in Deutschland. Haupttreiber hierfür dürften Erwartungen auf sinkende Leitzinsen der Notenbanken sein. Der S&P 500 verzeichnet mittlerweile eine negative Risikoprämie, das heisst, die Gewinnrendite ist geringer als die Verfallsrendite der 10-jährigen Staatsanleihe (USD-Treasury), ein klares Anzeichen einer (deutlichen) Überbewertung.

Auf der Währungsseite konnte der USD in den letzten Wochen etwas Boden gut machen, nachdem dieser im ersten Halbjahr handelsgewichtet knapp 10% verlor und damit das schwächste erste Halbjahr seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1973 verzeichnete. Hingegen neigt der Schweizer Franken trotz der jüngsten Leitzinssenkung der SNB von 0.25% auf 0.00% im Juni zur Stärke. Da sich die Teuerungsrate seit April auf 0.0% oder leicht darunter bewegt und gleichzeitig die Exportwirtschaft unter dem kräftigen CHF leidet, kann in den kommenden Monaten eine Rückkehr der SNB zu Negativzinsen nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden.

In den USA sorgte zwischenzeitlich Präsident Trump mit Aussagen bezüglich einer Entlassung von FED-Chef Powell für Unruhe. Nach Konsultationen mit republikanischen US-Senatoren relativierte Trump seine Aussage, worauf sich die Märkte erholten.

Der Start in die Berichtssaison zum 2. Quartal ist mit den grossen US-Banken vorerst gelungen. JPMorgan Chase & Co hat dank der Investmentsparte erneut ein hervorragendes Ergebnis erzielt und damit die Markterwartungen übertroffen. Auch die Citigroup profitierte von der hohen Marktvolatilität aufgrund der «Zoll-Verwirrungen» und lieferte das beste zweite Quartal der letzten fünf Jahre ab. Wells Fargo hat zwar ebenfalls die Markterwartungen geschlagen, senkte aber die Ganzjahresprognose wegen der Erwartung niedriger Zinseinkünfte. Darauf viel der Aktienkurs prompt um 5%.

Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten erscheinen zwar weiterhin solide, dennoch zeichnet sich in den USA (und damit weltweit) spätestens gegen Ende Jahr eine Wachstumsabschwächung ab. Zudem sind viele positive Erwartungen an die Unternehmenszahlen und die künftige Entwicklung bereits in den gegenwärtig (hohen) Kursen und Bewertungen enthalten. Dementsprechend steigen die Risiken, sollte es – etwa durch hart durchschlagende Zölle oder enttäuschende Quartalsberichte – zu negativen Überraschungen kommen.

Eines der grössten Risiken könnte sich freilich am langen Ende der US-Dollar-Zinskurve aufbauen. Die Rendite des 30-jährigen Treasuries notiert wiederholt bei über 5%, ein kritisches Niveau, das durch die zunehmende erhebliche Neuverschulung der USA («One Big Beautiful Bill Act») weiter nach oben getrieben werden könnte. In diese Richtung argumentiert auch der Präsident des New York FED, Williams, indem er die Notwendigkeit einer unabhängigen Zentralbank betont und in den kommenden Monaten eine zollbedingt um 1% höhere Teuerungsrate erwartet. Entsprechend dürfte das FED mit Leitzinssenkungen über den September hinaus zuwarten, mindestens solange der Arbeitsmarkt stabil bleibt. Das Zurückdrehen der Zinssenkungserwartungen stützt zwar kurzfristig den USD, doch verschärft sich dadurch die Problematik der Überbewertung amerikanischer Aktien.


Unsere Empfehlung

In den gemischten Portfolios haben wir die Aktienquote reduziert, bleiben aber leicht übergewichtet (Rebalancing). Dabei wurde vornehmlich der Technologiesektor (Nasdaq) abgebaut. Weiterhin bevorzugen wir die konjunkturunabhängigen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit.

Das Übergewicht in Schweizer Aktien bleibt aufgrund der attraktiven Bewertung unverändert bestehen. Dabei stehen die Aktien von Nestlé, Swiss Life, BKW, Swisscom, Roche, Lonza und Novartis im Vordergrund.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; 4 – 8-jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Neutral-leichte Übergewichtung; Schweiz bevorzugen
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern; EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle und Energie untergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten, Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien: Verkauf Nasdaq; Obligationen:
Sektoren: Übergewichtung  nicht-zyklischer Konsum, Versorger, Gesundheit    

Matthias Wirz, 18. Juli 2025