«Die Weltwirtschaft dürfte in diesem Jahr nicht in eine Rezession abgleiten.» Matthias Wirz
Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
«Die Weltwirtschaft dürfte in diesem Jahr nicht in eine Rezession abgleiten.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
Die Aktienmärkte zeigten zu Wochenbeginn aufgrund des deutlichen Rückgangs des deutschen Wirtschaftswachstums um 0.3% im 2. Quartal zunächst Zurückhaltung. Im weiteren Wochenverlauf sorgten die Äusserungen von FED-Präsident Jerome Powell in Jackson Hole über eine mögliche Leitzinssenkung jedoch für neue Dynamik: Die US-Indizes Dow Jones und S&P 500 legten im Wochenvergleich um je 2% und damit auf neue Allzeithochs zu. Demgegenüber sanken der Eurostoxx und DAX um 2% resp. 1.5%.
Der Technologiesektor profitiert weiterhin von der Erwartung auf Leitzinssenkungen des FED – über 1% in den nächsten 12 Monaten – und robusten Gewinnausweisen der grossen KI-Unternehmen (Mag 7) zum 2. Quartal. Entsprechend zog der Nasdaq in der Berichtsperiode um fast 3% an. Als letzte der Mag 7 berichtete Nvidia, welche die Erwartungen zwar erneut schlagen konnte, doch führte der «lediglich» solide Ausblick zu Enttäuschungen bei den Anlegern. Da die Erwartungen der Investoren zuvor sehr hoch waren und die Umsätze der Rechenzentren leicht unter den Prognosen blieben, gab die NVDA-Aktie im nachbörslichen Handel zunächst um mehr als 3% nach. Dagegen stiess das angekündigte Aktienrückkaufprogramm in der Höhe von USD 60 Mrd. (!) auf positive Resonanz, sodass NVDA zuletzt wieder nahe am Allzeithoch notierte. Insgesamt erreichen die geplanten Aktienrückkaufprogramme der grossen Unternehmen im S&P 500 mit bisher USD 1'000 Mrd. in diesem Jahr ein neues Allzeithoch.
Die mit grosser Spannung erwartete (letzte) Rede von Fed-Chef Powell am Zentralbankentreffen in Jackson Hole lieferte die Bestätigung für eine Leitzinssenkung im September. Gemäss Powell überwiegen aufgrund der gegenwärtig anhaltend restriktiven Geldpolitik inzwischen die Abwärtsrisiken am Arbeitsmarkt, während die Inflationsrisiken trotz der Importzölle begrenzt und vorübergehender Natur seien. Angesichts der sich abschwächenden Konjunktur in den USA werden die künftigen Zinsschritte des FED vor allem von der Entwicklung am Arbeitsmarkt abhängen. Ein erneut enttäuschender Arbeitsmarktbericht am 5. September könnte womöglich sogar die Tür für eine Zinssatzsenkung um 0.50% öffnen. Ausserdem nimmt der von der Regierung Trump ausgelöste politische Druck auf das FED, die Geldpolitik zu lockern, laufend zu. Beispielhaft wird der steigende politische Einfluss in der von Präsident Trump veranlassten Entlassung von Lisa Cook als FED-Gouverneurin – begründet mit angeblichen Unregelmässigkeiten bei ihren privaten Hypotheken – illustriert. Neben der positiven Wirkung sinkender Zinsen auf die Konjunktur dürfte die Regierung Trump vor allem an den dadurch sinkenden Refinanzierungskosten der enorm schnell steigenden Staatsschulden Gefallen finden. Eine Leitzinssenkung um z.B. 2% würde die Zinskosten der ausstehenden Schulden um schätzungsweise USD 200 Mrd. pro Jahr senken, immer vorausgesetzt, dass die Zinskurve im mittleren und langen Laufzeitenbereich nicht steiler wird.
In Europa sind die Aktienmärkte dagegen in eine Konsolidierungsphase eingetreten, verursacht durch schwache Konjunkturdaten Deutschlands und die geplante Vertrauensabstimmung der französischen Regierung am 8. September. Letzteres hat zu einem Anstieg der Risikoprämien der französischen Staatsanleihen gegenüber Deutschland geführt. Das Angebot des französischen Ministerpräsidenten zu Gesprächen mit den anderen Parteien hat nur zeitweise eine Beruhigung gebracht. Sollte die beschlossene Haushaltskonsolidierung zur Begrenzung der ausufernden Staatsverschuldung schlussendlich scheitern, ist mit einer Herabstufung der Kreditratings Frankreichs und dauerhaft erhöhten Kreditrisikoprämien zu rechnen.
Die Weltwirtschaft als Ganzes bleibt unverändert von Unsicherheiten bezüglich Teuerungstrend, Ukraine-Krieg und Handelskonflikten belastet. Dennoch verzeichnete die amerikanische Wirtschaft ein (annualisiertes) Wachstum von 3.3% im 2. Quartal. Daher dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr nicht in eine Rezession abgleiten, so dass die Unternehmen auch in den kommenden Quartalen solide Gewinnausweise liefern sollten.
Der Haupttreiber für die Aktienmärkte bildet aber vor allem die Aussicht auf weiter fallende Leitzinsen. Die Bewertung des S&P 500 ist mit einem P/E-Ratio von 24 im historischen Vergleich als hoch zu bezeichnen, doch wird diese durch die starke Gewichtung der Technologietitel verzerrt. Der gleichgewichtete S&P 500 verzeichnet hingegen ein P/E von 18.5, nur geringfügig über dem langfristigen Durchschnitt. Unverändert attraktiv ist der SMI mit einem historisch tiefen P/E von 18.5.
In den gemischten Portfolios bleibt die Aktienquote taktisch leicht übergewichtet, wobei wir regional die USA und besonders die Schweiz bevorzugen. Trotz des Mitte Juli erfolgten «Rebalancings» bildet der Technologiesektor und demzufolge das Thema KI unverändert eine Kernanlage (ETF EQQQ oder IUIT).
Bei Schweizer Aktien besteht zurzeit das grösste Kurspotential zum einen bei «ausverkauften» Aktien wie zum Beispiel Nestlé, Roche, Givaudan, Alcon, Sika oder Richemont. Zum anderen stehen Aktien mit viel «Momentum» im Vordergrund wie z. B. Swiss Life, Swisscom und Novartis.
Obligationen: Untergewichtung; 4 – 8-jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Leichte Übergewichtung; Schweiz bevorzugen
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern; EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle und Energie untergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten, Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien:- ; Obligationen:-
Sektoren: Übergewichtung Technologie, nicht-zyklischer Konsum, Versorger.
Matthias Wirz, 01. September 2025