«Zielkonflikt des FED bezüglich steigendem Inflationsdruck und einer weitergehenden Abschwächung des Arbeitsmarktes.» Matthias Wirz
Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
«Zielkonflikt des FED bezüglich steigendem Inflationsdruck und einer weitergehenden Abschwächung des Arbeitsmarktes.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
In den letzten vier Wochen erzielten die Aktienmärkte in den USA (S&P 500 +2.2%), Japan (Nikkei +6.9%) und den Schwellenländern (MSCI Emma +3.7%) eine positive Anlagerendite, während Europa (Eurostoxx +1.5%, DAX -2.2%) zurückblieb. Als enttäuschend ist vor allem die Entwicklung der Schweizer Aktien mit -2.5% zu bezeichnen.
In den USA beflügeln der laufende KI-Boom, die Steuersenkung für Unternehmen und fallende Leitzinsen an erster Stelle die grossen US-Technologiewerte, wohingegen Europa zum wiederholten Mal unter politischen Unsicherheiten – diesmal in Frankeich – und neu unter militärischen Provokationen Russlands leidet. Äusserungen der Nato, auf letztere „robust“ zu reagieren, sowie die Behinderung der Flughäfen in Kopenhagen und Oslo durch russische Drohnen belasten die risikotragenden Anlagekategorien inzwischen mehr als zuletzt.
Der FED-Vorsitzende Jerome Powell wies kürzlich auf den Zielkonflikt des FED bezüglich steigendem Inflationsdruck und einer weitergehenden Abschwächung des Arbeitsmarktes hin. Im Widerspruch zu den Aussagen der Regierung wird gemäss Powell der Grossteil der Zölle bisher nicht von den ausländischen Exporteuren, sondern von den inländischen Importeuren und Detailhändlern getragen. Diese haben die Zollkosten in Abhängigkeit der Preiselastizität der Nachfrage in spezifischen Produktkategorien bisher jedoch nur teilweise an die Konsumenten weitergegeben.
Dennoch steht das FED unter hohem politischem Druck, ihre Leitzinsen weiter zu senken. Das trumpnahe FED-Mitglied Stephen Miran fordert derweil Zinssenkungen in 0.50%-Schritten und schätzt den Leitzins als 1.5%-2.0% zu hoch ein. Der unter profilierten Ökonomen stark umstrittene Miran begründet seine Sichtweise mit der – von ihm massgeblich mitgestalteten – Zollpolitik und der niedrigeren Einwanderungsquote, welche den neutralen Zins für die USA nach unten verschieben würden. Seine Theorie widerspricht nicht nur evidenzbasierten Wirtschaftsmodellen, sondern auch aktuell robusten Konjunkturdaten. Das Wirtschaftswachstum für das 2. Quartal ist von 3.3% auf 3.8% hochrevidiert worden, zurückzuführen vor allem auf einen stärkeren privaten Konsum und fallende Importe. Ausserdem fielen die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung mit zuletzt 218’000 niedriger als erwartet aus und überraschten die Aufträge für langlebige Wirtschaftsgüter positiv.
In diesem robusten Konjunkturumfeld dürfte das FED im Oktober kaum den Leitzins erneut senken, sondern datenabhängig vorerst bis zum November oder Dezember zuwarten. Entsprechend dürfte es Stephen Miran an der nächsten FED-Sitzung schwer haben, für seine Sichtweise eine Mehrheit zu gewinnen. Bereits an der letzten Sitzung blieb er mit seiner Argumentation für eine Absenkung um 0.50% allein. Hingegen rechnet der Geldmarkt mit zwei weiteren Zinsschritten in diesem Jahr, was bei einem allfälligen Ausbleiben zu Enttäuschungen am Aktienmarkt führen dürfte.
In Europa ist der Einkaufsmanagerindex im September leicht von 51.0 auf 51.2 angestiegen. Hingegen zeigte dieser eine gegenläufige Bewegung für den Industriesektor und den Dienstleistungsbereich. Noch immer herrscht aufgrund der negativen Auswirkungen der US-Zölle eine gedrückte Stimmung bei den Einkaufsmanagern in der Industrie. In Frankreich verschlechterte sich die Stimmung infolge der zurzeit tiefen politischen Krise zusätzlich. Nach dem Rücktritt von Premierminister Bayrous zeigt sich wie so oft in der Vergangenheit, dass eine – zwar dringend notwendige - Sparpolitik mit heftigen Streikwellen und Demonstrationen begleitet und zuletzt verhindert wird. Noch ist die Renditedifferenz der Staatsanleihen zu Deutschland (Risikoprämie) nicht auf einem unhaltbaren Niveau angelangt, doch ist sie mittlerweile höher als diejenige von Italien und Griechenland. Deshalb ist bei französischen Staatsanleihen Vorsicht geboten.
Auch in Deutschland kommt die neue Regierung mit ihren geplanten Reformen nicht voran. Nach einem mehrmonatigen Aufschwung sank der ifo-Index von 88.9 auf 87.7 und damit das niedrigste Niveau seit Mai. Insbesondere der heftige Rückgang der Erwartungskomponente von 91.4 auf 89.7 zeigt die Enttäuschung der Unternehmen über die langsame Umsetzung der Reformversprechungen der Regierung Merz, während gleichzeitig die US-Zölle belasten.
In der taktischen Anlagepolitik wird an der leichten Übergewichtung der Aktienquote festgehalten. Unverändert bevorzugen wir die USA aufgrund der hohen Investitionsvolumen in KI und kräftigen Wachstumsraten der Technologieunternehmen. Ausserdem sind Schweizer Aktien infolge der attraktiven Bewertung interessant. Die Obligationenquote bleibt aufgrund des vor allem in der Schweiz sehr tiefen Zinsniveaus taktisch stark untergewichtet. Während ein Teil des Untergewichts in Aktienanlagen fliesst, wird der grössere Teil in Immobilienanlagen investiert.
Trotz der Ankündigung von US-Präsident Trump, dass patentierte Medikamente ab dem 1. Oktober mit Zöllen von 100% belegt werden, bleiben wir für den Schweizer Aktienmarkt und insbesondere für Roche und Novartis zuversichtlich. Ausgenommen sind namentlich Unternehmen, welche Produktionsstandorte in den USA aufbauen, dazu gehören natürlich auch Roche und Novartis, desgleichen Sandoz und die Auftragsfertiger Lonza und Siegfried.
Obligationen: Untergewichtung; 4 – 8-jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Leichte Übergewichtung; Schweiz bevorzugen
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern; EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle und Energie untergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten, Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien:- ; Obligationen:-
Sektoren: Übergewichtung Technologie, nicht-zyklischer Konsum, Versorger.
Matthias Wirz, 29. September 2025