Finanzmarktausblick 3. Quartal 2025

Geopolitische Risken nehmen zu

  • Eskalation im Nahen Osten
  • Zollverhandlungen vor Abschluss
  • Leitzinssenkungen in Europa
  • Aktienquote bei Neutral belassen
Matthias Wirz
«Zusätzlicher geopolitischer Brennpunkt im Nahen Osten» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Der überraschende und weiterreichende Angriff Israels auf die Atomanlagen und militärische Einrichtungen Irans verunsichert die Finanzmärkte und hat die Verhandlungen über Importzölle mit den betroffenen Ländern (vorübergehend) in den Hintergrund gerückt. Schlussendlich haben die USA in den Krieg zwischen Israel und Iran mit unterstützenden Militärschlägen eingegriffen und versucht, mit bunkerbrechenden Raketen das Atomprogramm Irans endgültig zu beseitigen. Gleichzeitig erhoffen sich die USA und Israel ein Umsturz des seit Jahrzehnten regierenden und im iranischen Volk mehrheitlich verhassten «Mullah Regimes». Damit hat sich neben dem Ukraine-Russland-Krieg ein weiterer geopolitischer Brennpunkt aufgetan, der die Rohstoff- und Kapitalmärkte periodisch belasten könnte. Darüber hinaus verursacht der anhaltende Krieg zwischen Russland und der Ukraine schwer kalkulierbare Risiken für die Anleger.

Derweil urteilte ein amerikanisches Berufungsgericht, dass die Entscheidung des «International Court of Trade», der Trumps reziproke Zölle für gesetzwidrig erklärt hatte, einstweilig ungültig sei. Dabei soll ein endgültiges Urteil bis Ende Juli gefällt werden. Andererseits machen die Gespräche mit Mexiko und Indien gleichsam Fortschritte, wobei die USA die Verhandlungen sowohl mit China als auch mit anderen Nationen beschleunigen will.

Gemäss Rahmenabkommen zwischen den USA und China sollen die Beschränkungen Chinas bei seltenen Erden aufgehoben werden. Die USA wiederum signalisierten mögliche Kompromisse bei der Technologieexport-Kontrolle. Beides soll zeitnah nach Abschluss einer Vereinbarung geschehen. Noch unklar ist, ob die hochwertigen KI-Chips von Nvidia weiterhin der Exportkontrolle unterliegen werden. Ausserdem ist zu erwarten, dass die USA ihre Ausfuhrbegrenzungen der Software für Chipdesign, Ethan und Düsentriebwerke und zugehörigen Teilen an China überprüfen und möglicherweise lockern werden. Da in Rahmenabkommen üblicherweise kaum Einzelheiten festgelegt werden, ist es verfrüht, von einem erfolgreichen konkreten Handelsvertrag zwischen den beiden Ländern auszugehen.

Dennoch sollten die stabileren Beziehungen zwischen den USA und China übermässige Zölle verhindern und gleichzeitig stabile globale Lieferketten sicherstellen. 


Unsere Anlagepolitik

Konjunkturdaten

Die amerikanische Notenbank (FED) hat an ihrer jüngsten Sitzung ihren Leitzins zum vierten Mal in Folge unverändert bei 4.5% belassen. Das FED sieht vorderhand keinen Einbruch der Wirtschaftsaktivität, anerkennt aber, dass sich die konjunkturelle Unsicherheit verschärft hat. Diese Sichtweise stimmt weitgehend mit unseren Modellen (Kugler, 2025) überein, welche einen Konjunkturabschwung erst im Jahr 2026 prognostizieren. Darüber hinaus betont das FED, dass aufgrund der Zölle das Risiko einer höheren Inflationsrate und Arbeitslosenquote zugenommen hat. Bisher ist die Teuerungsrate nach Ankündigung der Zölle weniger als erwartet angestiegen, doch werden diese – möglicherweise mit erheblicher Zeitverzögerung – schlussendlich auf die Konsumenten überwälzt.

Demgemäss hat die Diskrepanz zwischen den harten und bisher stabilen, jedoch vergangenheitsorientierten Konjunkturdaten, wie zum Beispiel Industrieproduktion, Bestellungseingänge in der Industrie sowie Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, im Vergleich zu «weichen» umfragebasierten und negativen Frühindikatoren (ISM-Einkaufsmanagerindizes, Michigan Konsumentenstimmung) weiter zugenommen. Auf dem Geldmarkt sind zurzeit zwei Leitzinssenkungen von insgesamt 0.50% eingepreist, womit die bisher noch immer restriktive Geldpolitik des FED im Verlaufe des Jahres deutlich gelockert werden dürfte. Leitzinssenkungen würden die US- aber auch die globale Wirtschaft erheblich entlasten, da die eingeführten Zölle – wenn sie längerfristig Bestand haben sollten – einer äusserst restriktiven Fiskalpolitik entsprechen.

Aktien: neutral gewichten

Die 10-jährigen Renditen von USD-Staatsanleihen sind seit Mitte März von 4.6% auf 4.4% und diejenigen Deutschlands von 2.9% auf 2.5% gefallen und haben dadurch den Aktienmärkten neue Impulse verliehen. Aufgrund fallender Zinsen erhöht sich der aggregierte Barwert der in den Aktienindizes enthaltenen Unternehmen, bei gleichzeitig unveränderten Gewinnwachstumsraten. Diese verzeichnen ebenso wie die Gewinnmargen, trotz der zollbedingten Unsicherheiten, eine erstaunlich robuste Entwicklung.

Unverändert gilt dabei, die Portfolios konjunkturell «wettersicher» zu machen. Entsprechend steht der defensive Schweizer Aktienmarkt im Vordergrund, welcher ausserdem aufgrund der attraktiven Dividendenrendite (3%), des unterdurchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnisses (18.2) und der Aussicht auf weitere Zinssenkungsschritte der SNB attraktiv bewertet ist. Dabei sollten die weitgehend konjunkturunabhängigen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum, Versorger und Gesundheit übergewichtet werden. In diesen Sektoren sind die Aktien von Nestlé, Givaudan, BKW, Swisscom, Roche, Lonza und Novartis zu empfehlen.

Obligationen: untergewichten

Zwischenzeitlich sorgten sich die Anleihenmärkte über das im amerikanischen Kongress mit knapper Mehrheit beschlossene Budget. Dabei sollen die ursprünglich am Ende dieses Jahres auslaufenden Steuersenkungen aus Trumps erster Laufzeit verlängert und weitere Erleichterungen beschlossen werden. Als Gegenfinanzierung sind erhebliche Kürzungen bei den Sozialausgaben und Subventionen zugunsten der Energiewende geplant. Ohne Abstriche im Senat könnten die Budgetdefizite in den nächsten 10 Jahren deshalb um zusätzliche USD 4-5 Bio. ansteigen und dadurch weiterhin 5%-6% des BIP pro Jahr erreichen. Für die Behauptung der Regierung, dass Einsparungen, Zölle und höheres Wirtschaftswachstum die Steuersenkungen auffangen werden, gibt es historisch keine Evidenz.

Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die künftig beständig hohen Budgetdefizite zu einer ernsthaften Bedrohung für die USA und Finanzmärkte werden. Der unbestrittene Reservestatus des USD und die aufgrund der hohen Sicherheit und Liquidität starke strukturelle Nachfrage nach USD-Staatsanleihen (Treasuries) setzen die USA in die komfortable Situation, dass sie sich (beinahe) beliebig in ihrer eigenen Währung verschulden können. Gleichwohl ist künftig mit tendenziell (leicht) steigenden realen Renditen zu rechnen. 

Immobilien: übergewichten

Die geldpolitische Lockerung der Schweizer Nationalbank (SNB), welche ihren Leitzins in den letzten 15 Monaten von 1.75% auf aktuell 0.00% gesenkt hat, beflügelt Immobilienanlagen in der Schweiz. Daher sind die Agios (Aufpreise zum inneren Wert) börsennotierter Schweizer Immobilienfonds zuletzt stark gestiegen und liegen derzeit durchschnittlich bei über 30%, bei einigen Fonds sogar bei fast 50%. Insbesondere Wohnimmobilienfonds sind gefragt, obwohl das Bewertungsniveau im historischen Vergleich ausgesprochen hoch ist. Dessen ungeachtet ist die Ausschüttungsrendite von rund 2.5% im relativen Vergleich zur Anleiherendite von 0.05% für 5-jährige Anleihen als attraktiv zu bezeichnen.   

Edelmetalle und Rohstoffe: halten

Sinkende Zinsen, Rezessionsängste, Inflationsrisiken, sowie geopolitische Konflikte und eine hohe Nachfrage der Zentralbanken werden den Goldpreis auch künftig positiv beeinflussen.   Es ist daher zu erwarten, dass der Goldpreis im Verlaufe des Jahres weiter ansteigen wird, immer in Abhängigkeit der genannten Beeinflussungsfaktoren. Ein zunehmend wichtiger Faktor sind die rasant steigenden Zuflüsse privater Anleger in Gold-ETF, welche die Nachfrage nach Gold und damit dem Goldpreis kräftigem Auftrieb geben.

Die Energiepreise verzeichnen seit Jahresbeginn eine hohe Volatilität und bleiben unter politischen Einfluss. Entsprechend hat sich der bis Anfang Mai schwächelnde Ölpreis seit Beginn des Israel-Iran-Konflikts schlagartig von USD 57 auf gegenwärtig USD 75 pro Barrel erhöht. 

Die Basismetallpreise wiederum leiden kurzfristig unter der weltweiten Konjunkturabschwächung. Hingegen dürften bestehende Angebotsengpässe und die strukturell steigende Nachfrage aufgrund der erneuerbaren Energien und des Ausbaus der Stromnetze den Kupferpreis längerfristig in die Höhe treiben.

Währungen

Nach der Zollankündigung der Regierung Trump am 2. April, dem sogenannten «Liberation Day», korrigierten in den Folgetagen nicht nur die Aktienmärkte um rund 10%, sondern auch der handelsgewichtete USD wertete in der gleichen Grössenordnung ab. Gemessen an der Kaufkraftparität ist der USD dadurch gegenüber dem CHF nur noch leicht überbewertet. Während das FED nach wie vor eine restriktive Geldpolitik betreibt, haben die EZB und SNB inzwischen ihre Leitzinsen mehrfach gesenkt, sodass sich die Zinsdifferenz wiederholt zugunsten des USD ausgedehnt hat. Infolgedessen sollte sich der CHF in den kommenden Monaten – immer unter der Prämisse, dass die flächendeckende Eskalation im Nahen Osten ausbleibt – gegenüber dem EUR und USD nicht weiter aufwerten.

Alternativen zu unserer Anlagestrategie und unserem Hauptszenario

Da die Zollankündigung der Regierung Trump vom 2. April vorerst bis zum 8. Juli ausgesetzt wurde und angesichts der bisher getroffenen Vereinbarungen mit verschiedenen Ländern voraussichtlich auch nicht in der angedrohten Höhe eingeführt wird, haben sich die Risiken für die Weltwirtschaft reduziert. Neu werden dem oben beschriebenen Hauptszenario eine reduzierte Wahrscheinlichkeit von 55% (vorher 65%) zugeordnet. Demgegenüber verzeichnet das negative Szenario eine unveränderte Wahrscheinlichkeit von 30%, während das positive Szenario bei höheren 15% (5%) liegt. 

Negatives Szenario: Kräftige Inflationszunahme und Rezession 

In diesem Szenario werden die Importzölle in der angekündigten Form eingeführt und lösen daher einen kräftigen Teuerungsschub aus. Gleichzeitig drohen mit der weitergehenden Eskalation des Iran-Israel-Kriegs höhere Energiepreise. Dadurch wird das FED seine Leitzinsen vorerst nicht senken können, sodass die restriktive Geldpolitik fortgeführt wird. Darüber hinaus reduzieren verunsicherte Konsumenten und Unternehmen ihre Konsum- und Investitionstätigkeit, wodurch die USA in eine länger anhaltende Rezession fallen könnten. In diesem Szenario zwingt die rasch steigende Arbeitslosenquote das FED mit Zeitverzögerung doch noch zu Leitzinssenkungen. Dennoch verursacht der scharfe Konjunkturabschwung einen kräftigen Einbruch der Gewinnerwartungen und in der Folge eine Korrektur an den Aktienmärkten. In diesem Szenario sind «sichere Häfen» wie zum Beispiel der CHF, JPY, Gold oder Staatsanleihen zu favorisieren. 

Positives Szenario: Verhandlungslösungen und Zinssenkungen 

Die wichtigsten Handelspartner der USA schliessen zeitnahe Vereinbarungen und Verträge ab, sodass der Basiszoll von 10% für alle Länder zwar bestehen bleiben dürfte, die angedrohten reziproken Zölle fallen jedoch aus. Der Handelskrieg wäre in diesem Szenario zeitnah beendet, sodass sich die zeitweilig höheren Teuerungsraten zurückbilden und die globale Wirtschaftsaktivität wieder zunimmt. Ausserdem bleibt die flächendeckende Eskalation des Iran-Israel-Kriegs aus, sodass sich geopolitische Risiken reduzieren und die Energiepreise fallen dürften.

Dadurch kann das FED geordnet zu einer Lockerung der Geldpolitik übergehen, sodass tiefere Zinsen und höhere Gewinnerwartungen die risikotragenden Anlagekategorien positiv beeinflussen. Besonders Aktienanlagen aus den Wachstumssektoren (Growth) sowie klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen sollten in diesem Umfeld profitieren.

Matthias Wirz, 03. Juli 2025