«KI-Boom beflügelt Aktienmärkte » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner
In den letzten Wochen beflügelten stetig positive Nachrichten aus dem amerikanischen Technologie-Sektor den US-Aktienmarkt, während die Schwellenländermärkte vom fallenden USD profitierten. Hingegen konnten Japan und Europa nicht an die gute Kursentwicklung im 1. Halbjahr anknüpfen.
Wiederholt werden von den grossen Technologie-Unternehmen Milliardeninvestitionen im dreistelligen Bereich in die Künstliche Intelligenz (KI) angekündigt, welche eine Welle an zusätzlichen Ausgaben in «Cloud» (Internet-basierte Infrastruktur) und angeschlossene Dienstleistungsbereiche auslösen. Das KI-Universum wird dabei grob in zwei Bereiche aufgeteilt: Infrastruktur- und Software-Anbieter. Infrastrukturanbieter stellen Bausteine für Training und Betrieb von KI bereit, wobei deren grösste Vertreter Nvidia (Halbleiter), AMD (Halbleiter), Microsoft (Cloud), Amazon (Cloud, Halbleiter), Google (Cloud) und Oracle (Cloud) sind. Softwarefirmen bauen dagegen KI-Modelle und Plattformen, wobei deren grössten Exponenten Google’s DeepMind, Microsoft-Copilot, Amazon-Alexa und Meta LLaMA sind. Aufgrund der benötigten enormen Speicherplatzmengen profitieren vorrangig Halbleiterhersteller, da beinahe jede KI-Innovation auf spezialisierter Hardware aufsetzt. Entsprechend ist Nvidia-Infrastrukturpartner vieler KI-Anwendungen wie zum Beispiel z.B. Alphabet und Amazon.
Die Importzölle dürften das globale Wirtschaftswachstum zwar (leicht) abschwächen, aber unsere Modelle signalisieren für die nächsten Quartale keine Rezession, weder in den USA noch weltweit. Die Teuerungsrate bildet sich hingegen nur zögerlich zurück und sinkt erst 2026 auf die Zielmarke von 2%. Während weltweit längst eine expansive Fiskalpolitik vorherrscht, wird nun auch die Geldpolitik der Notenbanken expansiver. Dies gilt vor allem für die USA, wo das FED in den kommenden Monaten ihren lange im restriktiven Bereich gehaltenen Leitzins weiter senken dürfte. Somit wird der «Policy-Mix» expansiver und unterstützt das globale Wirtschaftswachstum. In der taktischen Anlagepolitik halten wir an der Übergewichtung der Aktienquote fest. Die Obligationenquote bleibt aufgrund des vor allem in der Schweiz sehr tiefen Zinsniveaus stark untergewichtet. Als Alternative zu Obligationen investieren wir weiterhin in Immobilienanlagefonds.
Auf der Makroebene zeigen die neusten Daten mit erheblicher Zeitverzögerung eine beschleunigte Abschwächung des amerikanischen Arbeitsmarkts. Während die Arbeitslosenquote seit März 2024 langsam, aber stetig von 3.8% auf 4.2% angestiegen ist, verzeichnete der Stellenaufbau eine Abwärtsrevision von über 900'000 Stellen seit Anfang Jahr bis Ende August. Entsprechend heftig fiel die Marktreaktion auf dem Obligationenmarkt aus: die USD-Zinsen fielen in den letzten Wochen über das gesamte Laufzeitenspektrum um 0.20%. Der Trend zu tieferen Zinsen verstärkte sich zusätzlich mit der Publikation der Teuerungsrate im August, welche unverändert bei 3.1% (Kernrate) lag. Bislang sind bloss geringfügige Auswirkungen der Importzölle auf die Teuerungsrate zu verzeichnen, dennoch bleibt das Niveau weiterhin erhöht und weit entfernt vom Ziel des FED von 2%.
Die den Verbraucherpreisen vorgelagerten Produzentenpreise lagen indes weit unter den Erwartungen, sodass der abnehmende Teuerungsdruck die Tür für das FED öffnete, im September zum ersten Mal in diesem Jahr ihren Leitzins um 0.25% von 4.5% auf 4.25% zu senken. Da sich der Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten weiter abschwächen dürfte, wird das FED bis Ende Jahr ihren Leitzins möglicherweise weiter reduzieren.
Auf Jahressicht sind unverändert robuste Gewinnwachstumsraten der Unternehmen zu erwarten, bei gleichzeitig möglicherweise weiter fallenden Zinsen. In den USA ist ausserdem die dauerhafte Absenkung der Unternehmenssteuern von ehemals 35% auf 21% zu berücksichtigen, welche die Gewinne positiv beeinflussen wird. Davon werden die Aktienmärkte profitieren, wenngleich der US-Markt im Gegensatz zum Rest der Welt historisch hoch bewertet ist. Indes ist die Überwertung unter Ausklammerung der grossen Technologie-Unternehmen weniger ausgeprägt. Im Weiteren stossen die angekündigten Aktienrückkaufprogramme der grossen Unternehmen mit bislang USD 1'000 Mrd. - ein neues Allzeithoch - auf positive Resonanz. Die breit diskutierten Importzölle dürften hingegen nur begrenzt negativen Einfluss auf Unternehmensgewinne haben, da die Mehrzahl der kotierten Unternehmen Niederlassungen in den USA oder in der EU besitzen.
Die Rede von FED-Chef Powell am Zentralbankentreffen in Jackson Hole lieferte die Bestätigung für die eingeleitete Lockerung der Geldpolitik. Angesichts der sich leicht abschwächenden Konjunktur in den USA werden die künftigen Zinsschritte des FED wesentlich von der Entwicklung am Arbeitsmarkt abhängen. Gleichzeitig nimmt der politische Druck der Regierung Trump auf das FED zu, wie bereits an der Entlassung von Lisa Cook als FED-Gouverneurin und der Ernennung des umstrittenen Ökonomen Stephen Miran illustriert wird. Neben der positiven Wirkung sinkender Zinsen auf die Konjunktur dürfte die Regierung Trump vor allem an den dadurch sinkenden Refinanzierungskosten den enorm schnell steigenden Staatsschulden Gefallen finden. Gewiss senken Leitzinssenkungen die Zinskosten der ausstehenden Schulden erheblich, doch die USD-Staatsanleihen (Treasuries) könnten mit höheren Risikoprämien auf die rasch steigende Staatsverschuldung und eine möglicherweise abnehmende Unabhängigkeit des FED reagieren.
Der Index für kotierte Immobilienfonds (SWIIT) erzielte im bisherigen Jahresverlauf eine stattliche Anlagerendite von 6.5%. Hierfür war in erster Linie das erneute Tiefzinsumfeld verantwortlich, herbeigeführt durch mehrere Leitzinssenkungen der SNB. Während die fundamentalen Treiber wie zum Beispiel das knappe Angebot an Wohneigentum und die migrationsbedingt steigende Nachfrage intakt bleiben, ist die Bewertung der Immobilienfonds mit einem durchschnittlichen Aufpreis zum inneren Wert (Agio) von 35% inzwischen auf einem historisch hohen Niveau angelangt. Folglich sollte ein Ausbau der Immobilienquote vorrangig über nicht kotierte Kollektivanlagen erfolgen.
Sinkende Zinsen, Rezessionsängste, Inflationsrisiken, sowie geopolitische Konflikte und eine hohe Nachfrage der Zentralbanken werden den Goldpreis auch künftig positiv beeinflussen. Es ist daher zu erwarten, dass der Goldpreis im Verlaufe des Jahres weiter ansteigen wird, immer in Abhängigkeit der genannten Beeinflussungsfaktoren. Ein zunehmend wichtiger Faktor sind die rasant steigenden Zuflüsse privater Anleger in Gold-ETF, welche die Nachfrage nach Gold und damit dem Goldpreis kräftigem Auftrieb geben.
Die Energiepreise verzeichnen seit Jahresbeginn eine hohe Volatilität und bleiben unter politischen Einfluss. Entsprechend hat sich der bis Anfang Mai schwächelnde Ölpreis seit Beginn des Israel-Iran-Konflikts schlagartig von USD 57 auf gegenwärtig USD 75 pro Barrel erhöht.
Die Basismetallpreise wiederum leiden kurzfristig unter der weltweiten Konjunkturabschwächung. Hingegen dürften bestehende Angebotsengpässe und die strukturell steigende Nachfrage aufgrund der erneuerbaren Energien und des Ausbaus der Stromnetze den Kupferpreis längerfristig in die Höhe treiben.
Mit der Abwertung des USD gegenüber dem CHF von knapp 14% ist das - gemessen an der Kaufkraftparität - faire Niveau von USD/ CHF 0.75 zwar nicht mehr weit entfernt. Die eingeleitete Lockerung der Geldpolitik durch das FED dürfte den USD dennoch weiter unter Druck bringen, da die Zinsdifferenz zum EUR und CHF folglich abnehmen wird. Der EUR ist hingegen zum CHF mit 0.93 angemessen bewertet, sodass bei gleichbleibender Zinsdifferenz keine wesentliche Veränderung des Wechselkurses zu erwarten ist.
Da zwischen den USA und den grössten Handelspartnern mittlerweile Vereinbarungen und Verträge über Importzölle in unterschiedlicher Höhe abgeschlossen wurden, scheint der Schaden für die Weltwirtschaft geringer auszufallen als ursprünglich erwartet wurde. Darüber hinaus reduziert der global expansive Policy-Mix die Risiken für die Weltwirtschaft. Unser Hauptszenario bleibt somit unverändert zuversichtlich. Im Vergleich zum Vorquartal gewichten wir das negative Szenario als weniger wahrscheinlich, während ein Eintritt des positiven Szenarios zunehmend realistischer aussieht.
In diesem Szenario lösen die eingeführten Importzölle mit Verzögerung einen kräftigen Teuerungsschub aus. Dementsprechend fällt die Inflationsrate bestenfalls erst gegen Ende 2026 in den Zielbereich des FED von 2%, sodass der Leitzins vorerst nicht weiter gesenkt wird und somit im restriktiven Bereich verharrt. Aufgrund der gleichzeitig steigenden Arbeitslosenquote reduzieren verunsicherte Konsumenten und Unternehmen ihre Konsum- und Investitionstätigkeit, sodass die USA und der folglich auch der Rest der Welt in eine Rezession fällt. Der kräftige Konjunktureinbruch senkt in erheblichem Ausmass die Gewinnerwartungen der Unternehmen, wodurch eine Korrektur an den Aktienmärkten herbeigeführt wird. In diesem Szenario sind «sichere Häfen» wie zum Beispiel der CHF, JPY, Gold oder Staatsanleihen zu favorisieren. Bei Aktienanlagen sollte der Fokus auf defensive, konjunkturunabhängige Sektoren gelegt werden.
Die USA haben mit den wichtigsten Handelspartnern wie im Hauptszenario Vereinbarungen und Verträge abgeschlossen, welche mehrheitlich entweder nur den Basiszoll von 10% oder in einigen Fällen auch 15% umfassen. Der Handelskrieg ist damit abgeschlossen, wodurch sich die Teuerungsrate nach einem zollbedingt einmaligen Schub zügig wieder der Zielgrösse des FED von 2% annähert und die globale Wirtschaftsaktivität nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Entsprechend wird das FED die begonnene Lockerung der Geldpolitik beschleunigen, sodass deutlich tiefere Zinsen und robuste Gewinnerwartungen die risikotragenden Anlagekategorien positiv beeinflussen. Besonders Aktienanlagen aus den Wachstumssektoren (Growth) sowie klein- und mittelkapitalisierte Unternehmen sollten in diesem Umfeld profitieren.
Matthias Wirz, 02. Oktober 2025