Frankreichs Staatsfinanzen ausser Kontrolle?

  • Europa dominierte zuletzt die angespannte Lage der französischen Staatsfinanzen die Obligationen- und Devisenmärkte.
  • Unverändert gibt es wenig Evidenz für eine Rezession in den USA.
  • Der zuletzt etwas zurückgeblieben Technologiesektor wird wieder interessanter.
Matthias Wirz
«Die Finanzmärkte stehen zurzeit im Kreuzfeuer der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Die Finanzmärkte stehen zurzeit im Kreuzfeuer der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Bislang halten sich die Verluste in der Berichtswoche jedoch in engen Grenzen, wobei der S&P 500 1.0%, der Nasdaq 1.5%, der SMI 1.9% und der Euro Stoxx 50 über 2.5% verloren haben. Die asiatischen Märkte hielten sich deutlich besser, angetrieben durch den CSI 300 (China) mit einem Plus von 25%. Hier wirken sich die letzte Woche angekündigten, grossvolumigen Konjunkturprogramme der Regierung und der chinesischen Zentralbank anhaltend positiv auf die Märkte aus.

Aktuelle Situation

Energiepreise haben auf die laufende Eskalation im Nahostkonflikt, insbesondere zwischen Iran und Israel, bislang mit relativ geringfügigen Preiszuschlägen von knapp 10% reagiert. Das dürfte sich auch kaum ändern, sofern der Konflikt lokal begrenzt bleibt. Entsprechend sollte sich der Erdölpreis, der aufgrund des reichlichen Angebots und verhaltener Nachfrage ohnehin unter Druck steht, weiterhin im engen Band zwischen USD 70-80 pro Fass bewegen.

In Europa dominierte zuletzt die angespannte Lage der französischen Staatsfinanzen die hiesigen Obligationen- und Devisenmärkte. Zum einen weitete sich die Kreditrisikoprämie der 10-jährigen Staatsanleihe gegenüber Deutschland vom historischen Durchschnitt von 0.45% auf zuletzt 0.80% aus. Zum anderen neigte der CHF als «Safe-haven»-Währung gegenüber dem EUR zur Stärke, wodurch sich die Zinsdifferenz gegenüber deutschen Staatsanleihen weiter auf 1.7% ausdehnte, verglichen mit noch 1.3% Anfang Jahr. 

Die Regierungserklärung des neuen Premierministers Barnier wurden am Markt hingegen positiv aufgenommen. Barnier setzte in seiner Rede den Schwerpunkt denn auch auf die Haushaltskonsolidierung, die im nächsten Jahr zu einer Verringerung des Budgetdefizits von aktuell 6% auf 5% und bis 2029 auf 3% führen soll. Ein Drittel der Konsolidierung soll über höhere Steuern und zwei Drittel über Ausgabenkürzungen erfolgen. Die populistische Partei «Rassemblement National» (RN) von Marie Le Pen dürfte den Konsolidierungskurs vorerst mittragen, sodass an den europäischen Anleihemärkten mittelfristig eine Beruhigung eintreten sollte. Allerdings kommt es bereits am 9. Oktober zu einem Misstrauensvotum des Linksblocks gegen Barniers Minderheitsregierung, wodurch die Nervosität der Marktteilnehmer bis dahin erhöht bleibt. Ferner zeigen sich auch die Rating-Institute besorgt über die bedrohliche Entwicklung der französischen Neuverschuldung. Es würde daher nicht erstaunen, sollte Moody’s das Rating Frankreichs von aktuell Aa2 bei der nächsten Überprüfung am 25.10.24 herabsetzen. 

Die Obligationenmärkte werden zurzeit vor allem vom weltweiten Rückgang der Teuerungsraten unterstützt. In der Eurozone fiel die Jahresinflationsrate im September deutlich von 2.2% auf 1.8% und damit in den Zielbereich der EZB von 1%-2%. Erneut ging die Abschwächung des Inflationsdrucks von der Energiekomponente aus, wo die Jahresrate von -3.0% auf -6.0% absackte. Der Rückgang der Dienstleistungsinflation im September von 4.1% auf 4.0% erscheint gering, doch deuten die Details auf eine nachlassende Preisdynamik hin. Damit dürfte der Weg für die EZB frei sein, ihre Geldpolitik weiter zu lockern und die Leitzinsen bereits im Oktober erneut zu senken. Entsprechend äusserte sich EZB-Chefin Lagarde bei ihrem Auftritt vor dem EU-Parlament und bekräftigte darüber hinaus, dass auch im Dezember eine weitere Leitzinssenkung möglich ist.

Ähnlich argumentierte FED-Chef Jerome Powell, sodass der USD-Geldmarkt bis Ende Jahr mittlerweile zwei Leitzinssenkungen von je 0.25% einpreist. Allerdings bemühte Powell erneut das Narrativ der Datenabhängigkeit, sodass in Anbetracht des überraschend kräftigen Anstiegs des ISM-Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe (09/24) von 51.5 auf 54.9 ein erneuter 0.50%-Schritt im November wenig wahrscheinlich ist. Dafür müsste sich der Arbeitsmarktbericht für den September sehr viel mehr verschlechtern als mit der erwarteten Schaffung von 125'000 neuen Stellen und einer unveränderten Arbeitslosenquote von 4.2%. Etwa 100’000 – 150'000 neue Stellen werden pro Monat - in Abhängigkeit des Bevölkerungswachstums, der Altersstruktur und der Partizipationsrate - benötigt, um die Arbeitslosenquote stabil zu halten.

Auch in Japan bekräftige der Tankan-Konjunkturindex im 3. Quartal die (Q3 2024) die positive Stimmung bei Grossunternehmen und die Aussicht auf eine bessere Konjunkturlage. Diesbezüglich meinte der neue japanischen Ministerpräsident Ishiba, dass die Wirtschaft aufgrund der nachlassenden Weltwirtschaft für eine erneute Leitzinsanhebung nicht bereit sei und lancierte daher ein Konjunkturprogramm.


Unsere Empfehlung

Unverändert gibt es wenig Evidenz für eine Rezession in den USA. Die Unternehmen verzeichnen im Durchschnitt solide Gewinnwachstumsraten im hohen einstelligen Bereich, bei gleichzeitig überdurchschnittlich hohen Gewinnmargen. Daneben bilden sich die Inflationsraten zurzeit kräftiger als erwartet zurück, sodass die meisten Zentralbanken fortwährend mehr Spielraum erhalten, ihre Leitzinsen zu senken. Somit zeichnen die Fundamentaldaten ein freundliches Bild für Aktienanlagen.

Nachdem in den letzten sechs Monaten die eher defensiven Sektoren Gesundheit, Nicht-zyklischer Konsum und Versorger den Gesamtmarkt deutlich «outperformten», wird nun der zuletzt etwas zurückgeblieben Technologiesektor wieder interessanter. Das gilt besonders für die grosskapitalisierten Firmen wie Apple, Microsoft und Meta, welche rekordhohe Gewinne und dank KI kräftiges Wachstum verzeichnen. In Europa ist aufgrund der teilweise äusserst tiefen Bewertung mit einer Erholung des Sektors Zyklischer Konsum zu rechnen. Die darin enthaltenen Luxusgüter und Autohersteller erlitten seit Ende März erhebliche Kursverluste, welch nicht in jedem Fall gerechtfertigt sind.     

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; Ausbau Unternehmensanleihen: 4 - 8jährige Laufzeiten bevorzugen, Durationverlängerung
Aktien: Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Goldminenaktien attraktiv 
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien: :   Kauf iShares S&P 500 Techn. & Inform; Obligationen:
Sektoren: Übergewichtung Technologie, Zykl. Konsum, Gesundheit 

Matthias Wirz, 04. Oktober 2024