Handelsabkommen zwischen den USA und Grossbritannien

  • Erhebliche Bewertungsausdehnung des S&P 500 und DAX.
  • Die gegenwärtig laufende Erholung an den Aktienmärkten könnte sich bis Ende Mai fortsetzen.
  • Gemischte Portfolios sollten konjunkturell «wettersicher» gemacht werden.
Matthias Wirz
«An den Finanzmärken setzt sich die Erwartung fest, dass weitere Handel-Deals folgen werden.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Nach einem über 5 Jahre dauernden Verhandlungsmarathon ist in der Berichtswoche das Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien besiegelt worden, wobei neben dem in weiten Teilen weiter bestehenden Sockeltarif von 10% die endgültigen Details noch zu klären sind.

Aktuelle Situation

Während die USA einen verbesserten Marktzugang für amerikanische Exporte, insbesondere Landwirtschaftsgüter, und das Versprechen für Boeing-Flugzeugkäufe in der Grössenordnung von USD 10 Mrd. erhalten, kann Grossbritannien weiterhin Autos im bisherigen Umfang (max. 100'000 mit 10% Zoll) und Flugzeugmotoren (weiterhin zollfrei) in die USA exportieren. Stahl und Aluminium dürfen darüber hinaus ebenso zollfrei in die USA geliefert werden, wie auch die Pharmaindustrie unbelastet bleiben sollte. In der Pressekonferenz im Weissen Haus betonte Trump, dass die Gespräche zwischen China und den USA in Genf dieses Wochenende konstruktiv verlaufen und zu einer Deeskalation führen sollten. Freilich ist es ungewiss, ob der «Deal» mit Grossbritannien als Vorlage für andere Länder, vor allem mit der EU, dienen kann. Dennoch setzt sich an den Finanzmärken angesichts der Kursgewinne der letzten Wochen immer mehr die Erwartung fest, dass weitere «Deals» folgen werden.

Die amerikanische Notenbank (FED) hat an ihrer jüngsten Sitzung ihren Leitzins wie erwartet unverändert bei 4.5% belassen. Das FED sieht vorderhand keinen Einbruch der Wirtschaftsaktivität, anerkennt aber, dass sich die konjunkturelle Unsicherheit verschärft hat. Entsprechend betont das FED, dass aufgrund der Zölle das Risiko einer höheren Inflationsrate und Arbeitslosenquote zugenommen hat. Allerdings bekräftigte der FED-Vorsitzende Powell, dass das FED nicht unter Zeitdruck steht, die Leitzinsen zu senken.

Demgemäss hat sich die Diskrepanz zwischen den harten, jedoch vergangenheitsorientierten Konjunkturdaten wie zum Beispiel Industrieproduktion, Bestellungseingänge in der Industrie sowie Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung im Vergleich zu «weichen» umfragebasierten Frühindikatoren (ISM-Einkaufsmanagerindizes, Michigan Konsumentenstimmung) weiter erhöht. Auf dem Geldmarkt sind zurzeit drei Leitzinssenkungen von total 0.75% eingepreist, womit die bisher noch immer restriktive Geldpolitik des FED im Verlaufe des Jahres deutlich gelockert werden dürfte. Leitzinssenkungen würden die US- aber auch die globale Wirtschaft erheblich entlasten, da die eingeführten Zölle – wenn sie längerfristig Bestand haben sollten – einer äusserst restriktiven Fiskalpolitik entsprechen. 


Unsere Empfehlung

Die Erholung der Aktienmärkte seit der zweiten Aprilwoche hat zu einer erheblichen Bewertungsausdehnung des S&P 500 und auch des DAX geführt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (PE) des S&P 500 notiert wieder bei über 21, verglichen mit einem Tiefststand von 18.5 am 8. April. Das PE des DAX erreicht mittlerweile 16.5, nach 13.7 Anfang April. Neben Kursgewinnen widerspiegelt der Anstieg der Bewertung auch Abwärtsrevisionen der Gewinnerwartungen. Insgesamt ist aus Bewertungssicht das Potential für weiter steigende Aktienmärkte in den USA und Europa entsprechend begrenzt. Dies gilt jedoch nicht für die nach wie vor attraktiv bewerteten Schweizer- und japanischen Aktienmärkte. Darüber hinaus bilden die tieferen Langfristzinsen und die Aussicht auf sinkende Leitzinsen eine wirksame Unterstützung für Aktien- und andere risikobehaftete Anlagen.  

Nach dem Rebalancing (Zukauf) der Aktienanlagen in gemischten Portfolios Anfang April hat sich die Aktienquote auch dank der seither erfolgten Kursgewinne wieder wesentlich erhöht. Aus technischer Sicht dürfte sich die gegenwärtig laufende Erholung bis mindestens Ende Mai, möglicherweise bis Mitte Juli, fortsetzen. Sofern die Aktienmärkte in den kommenden Wochen weiter ansteigen, werden wir Gewinne (teilweise) mitnehmen. 

Unverändert gilt dabei, die Portfolios konjunkturell «wettersicher» zu machen. Dafür sollten weitgehend konjunkturunabhängige Sektoren wie zum Beispiel Nicht-zyklischer Konsum (Nestlé, Lind & Sprüngli, Givaudan), Versorger (Swisscom, BKW) und Gesundheit (Novartis, Roche, Lonza) übergewichtet werden. Daneben bilden Obligationen in CHF, Gold und Immobilienanlagen (mit Fokus auf Wohnliegenschaften) Schutz vor einem möglicherweise eintretenden Konjunktureinbruch.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; 4 – 8-jährige Laufzeiten bevorzugen
Aktien: Neutral-leichte Übergewichtung; Schweiz bevorzugen
Währungen: USD/CHF über 0.86 absichern; EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle und Energie untergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten, Goldminenaktien attraktiv
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
Transaktionen: Aktien: - ; Obligationen:
1 ¼%  Axpo 2033
Sektoren: Übergewichtung  nicht-zyklischer Konsum, Versorger, Gesundheit    

Matthias Wirz, 12. Mai 2025