Hat die Korrektur bereits begonnen?

  • Vorübergehend höhere Teuerungsraten, ein möglicher Aufschub der Leitzinssenkungen in den USA und «anspruchsvolle» Bewertungen sind die wichtigsten Argumente, um sich in der taktischen Asset Allokation vorsichtiger zu positionieren.
  • In der kurzen Frist wird die Berichterstattung der Unternehmen zum 1. Quartal für die Aktienmärkte wegweisend sein.
  • Der Rohstoffsektor, welcher am Anfang eines neuen mehrjährigen Zyklus steht, bleibt interessant.
Matthias Wirz
«Wir rechnen in den kommenden Monaten unverändert mit volatilen Aktienmärkten.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Der unbestätigte Gegenschlag von Israel könnte eine weitere Eskalation im Iran-Israel-Konflikt bedeuten und hat an den Finanzmärkten zum Wochenschluss zu einer Flucht in risikolose Anlagen geführt. Die Renditen der Staatsanleihen sind daher weltweit gesunken, die Kurse an den Aktienmärkten eingebrochen, wohingegen der Ölpreis, Gold, der CHF und JPY zulegten. Kurzfristig dürfte es für die Märkte entscheidend sein, wie die Reaktion Irans ausfällt, und ob es sich bloss um einen begrenzten Gegenschlag Israels handelte. Da beide Länder nicht wirklich an einem Flächenbrand im Nahen Osten interessiert sind, könnte sich die zurzeit aufgeheizte Lage aber schon bald wieder beruhigen. 


Aktuelle Situation

Grundsätzlich bleibt die Volatilität an den Obligationenmärkten aufgrund des zwischenzeitlichen Inflationsanstiegs und den über Erwarten guten Konjunkturdaten in den USA erhöht. Dabei stieg der Philadelphia FED-Index im April kräftig von 3.2 auf 15.5, den höchsten Stand seit April 2022, wobei wichtige Komponenten wie Auftragseingänge, Auslieferungen und Preise zulegten. Demzufolge ist die für Juni – auch von uns - erwartete erste Leitzinssenkung der amerikanischen Notenbank (FED) inzwischen Makulatur und gemäss Markterwartungen auf September verschoben worden. Die 10-jährige USD-Staatsanleiherendite befindet sich mit zwischenzeitlich 4.62% auf dem höchsten Niveau seit Anfang November, sodass sich die Performance an den Anleihemärkten seit Jahresanfang negativ entwickelt hat. Während CHF-Obligationen gerade noch eine Null-Performance ausweisen, sind die lokalen EUR- und USD-Anleihen leicht resp. mit 4.3% deutlich im Minus. Aus CHF-Sicht ergeben sich immerhin noch Währungsgewinne aufgrund des starken USD und leicht höheren EUR/CHF-Kurs.

Deshalb ist es nicht überraschend, dass die teilweise hohen Bewertungen der Aktienmärkte unter Druck geraten sind. Vor allem der Nasdaq-Index mit seinen hoch kapitalisierten Technologieunternehmen verlor seit dem Höchststand Mitte März mit 5.0% überdurchschnittlich stark an Wert. Aber auch der Dow Jones und der S&P 500 verloren mit 4.9% resp. 4.3% nur geringfügig weniger. Ausserdem konnte sich auch der SMI-Index, der in seiner Zusammensetzung mit einem hohen Anteil der konjunkturunabhängigen Sektoren Nicht-zyklischer Konsum (Nestlé) und Gesundheit (Roche, Novartis) eigentlich als defensiv zu bezeichnen ist, dem Abwärtstrend nicht entziehen und verlor 3.3%.

Der weitere Verlauf der risikotragenden Anlagekategorien wird wesentlich von den Zinserwartungen und der geopolitischen Lage abhängen. Ein Rückgang des Ölpreises infolge einer denkbaren Beruhigung der angespannten Lage im Nahen Osten dürfte die zuletzt erhöhten Inflationserwartungen dämpfen und den Anleihemärkten Unterstützung liefern. Da gleichzeitig auch die Weltkonjunktur nur eine zaghafte Erholung ausserhalb der USA zeigt, sollte ein allfällig weiterer Zinsanstieg im mittleren und langen Laufzeitenbereich eng begrenzt bleiben.

Für die Aktienmärkte wird ferner auch die Berichterstattung der Unternehmen zum 1. Quartal wegweisend sein, insbesondere in der kommenden Woche, wenn die großen Technologiekonzerne (META, AMZN, MSFT, GOOGL) ihre Zahlen präsentieren werden. Der Anteil dieser vier Unternehmen an der Marktkapitalisierung des S&P 500 liegt gegenwärtig mit 18.5% nahe dem historischen Höchststand, sodass der Einfluss ihrer Quartalsberichte für die Performance des Gesamtindex ausschlaggebend sein wird.

Ein Vorgeschmack lieferte darauf der Bericht von Netflix, der mit 9.3 Mio. Neukunden zwar eine ausgeprägte Dynamik zeigte, allerdings führte der vorsichtige Ausblick zu Gewinnmitnahmen der Anleger.


Unsere Empfehlung

Wir rechnen in den kommenden Monaten unverändert mit volatilen Aktienmärkten. Kurzfristig höhere Teuerungsraten, ein möglicher Aufschub der Leitzinssenkungen in den USA und «anspruchsvolle» Bewertungen sind die wichtigsten Argumente, um sich in der taktischen Asset Allokation vorsichtiger zu positionieren. Entsprechend werden wir die Übergewichtung der Aktienquote schrittweise auf Strategieniveau zurückführen («Rebalancing»). Unangetastet bleiben einzig die Positionen im Rohstoffbereich (Energie, Gold und Basismetalle), welche am Anfang eines neuen mehrjährigen Zyklus stehen. Auf der Obligationenseite sind Unternehmensanleihen guter Qualität und mittleren Laufzeiten zu bevorzugen.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Abbau Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien: Verkauf EQQQ, ABB; Obligationen: 1.5025% Slovakia 2028 
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum
Themen: Basis- und Edelmetalle und Energie

Matthias Wirz, 19. April 2024