Vogelhaus Zoo Basel

Interview mit Frau Dr. Heidi Rodel

Bild: Rotschnabel-Sonnenvögel; Quelle: Zoologischer Garten Basel

Frau Dr. Heidi Rodel ist Vizedirektorin und Leiterin Projekte des Zoologischen Garten Basel und ist, unter anderem, zuständig für die Planung und Realisierung des renovierten und erweiterten Vogelhaus des Zolli. Im nachfolgendem Interview erfahren Sie Spannendes und Interessantes rund um das neue Vogelhaus.

Frau Dr. Rodel, können Sie uns ihr eindrücklichstes Erlebnis im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Vogelhauses schildern?

Einer der eindrücklichsten Momente ist immer, wenn die Tiere in eine neue Anlage einziehen. Man ist gespannt, wie sie reagieren, wie sie ihren neuen Lebensraum annehmen. Man hat viel Zeit, Energie, lange Diskussionen und selbstverständlich auch viel Geld investiert, um möglichst gute, den Tieren angepasste Anlagen zu bauen, und dann kommt der erste Moment, der erste Eindruck. Ich versuche in solchen Momenten dabei zu sein. Es sind aber die Tierpflegenden und die Kuratoren und Kuratorinnen, die für den Einzug der Tiere verantwortlich sind. Ich geniesse jeweils den Moment, nur Beobachterin sein zu dürfen.

Wann entstand der Gedanke, dass das Vogelhaus nicht nur zu sanieren, sondern grundlegend zu erweitern?

Wir haben uns ganz am Anfang noch überlegt, ob es nicht sinnvoller sein würde, das über hundertjährige Haus zu schleifen. Ich könnte den Zeitpunkt nicht mehr angeben, wann wir eingesehen haben, welches Potential das alte Haus hat, aber genau das ist uns irgendwann bewusst geworden. Das Haus hat die Struktur einer alten Kirche mit Hauptschiff und Seitenschiffen, es ist ca. 11 m hoch, bietet also einen grossen Flugraum und es strahlt eine selbstverständliche Ruhe aus. Als dann die ersten Ideen kamen, die ganze Halle abzusenken und zu bepflanzen und die kleinen Volieren aufzulösen und den freien Bereich als Besucherweg zu nutzen, hat uns das Projekt so überzeugt, dass wir ganz glücklich waren, dem Haus eine Chance gegeben zu haben.

v.l.n.r.: Corinne Moser, Martin Lenz, Jürg Duschmalé, Oliver Pagan, Fabienne Lauber
v.l.n.r.: Corinne Moser, Martin Lenz, Jürg Duschmalé, Oliver Pagan, Fabienne Lauber

Wie gelingt es dem Zolli, für solche grossen Projekte mit Bausummen von über CHF 20 Mio. immer wieder Geldgeber zu gewinnen?

Der Zolli hatte letztes Jahr 1.2 Millionen Besucher und Besucherinnen, wir sind damit ein sehr wichtiger Ausflugs- und Bildungsort. Der Zolli ist in der Basler Bevölkerung gut verankert – neben den ganz grossen gibt es auch sehr viele kleinere Spenden, es gibt Göttis und Gotten von unseren Tieren, die den Zolli gern haben und ihn unterstützen. Ich denke, die grossen Spender und Spenderinnen honorieren unsere Aufgaben und die Bedeutung des Zoos für die Bevölkerung. Bei uns kann man die Tiere im Original sehen, riechen, beobachten. Die Umgebung ist wohl künstlich, sie ist aber so angelegt, dass die Tiere möglichst viel von ihrem natürlichen Verhalten zeigen können, welches wiederum für die Besucher und Besucherinnen, die vielen Schüler und Schülerinnen sichtbar ist oder auf professionellen Führungen erklärt wird. Nicht zu vergessen ist auch der Park mit dem vielfältigen Baumbestand – es sind über 100 verschiedene Baumarten im Zolli zu finden - den wir genauso wie die Tieranlagen pflegen und weiter ausbauen.

Im Vogelhaus herrscht ja Tropenklima. Wie wird diese erzeugt (Energiequellen & -bilanz)?

Das neue Vogelhaus des Zoologischen Gartens Basel
Das neue Vogelhaus des Zoologischen Gartens Basel

Im Moment müssen wir eher dafür sorgen, dass es nicht zu heiss wird, was mit Sonnenschutz, öffenbaren Dachfenstern und der Lüftung erreicht wird. Im Winter wird mit Fernwärme der iwb geheizt. Die Wärme wird über Bodenheizungen, einzelne Radiatoren, über Deckenstrahlplatte und über die Lüftung in die Anlagen gebracht. Das neue Haus ist sehr gut isoliert, das alte Vogelhaus hat man soweit möglich ertüchtigt. In beiden Häusern sind die sehr grossen Fensterflächen neu und dreifach verglast.

Was wünschen Sie sich für das Vogelhaus der Zukunft?

Ich wünsche mir eine spannende Vogel- und Pflanzenwelt, die sich gerne auch verändern darf, die sich in den Häusern wohlfühlt und sich gut entwickelt. Ich wünsche mir Pflegende, die Freude haben, dort zu arbeiten; ich wünsche mir eine Kuratorin auf der Suche nach spannenden Ideen und neuen Herausforderungen und vor allem wünsche ich mir glückliche Besuchende, die sich an den Vögeln und Pflanzen freuen, sie kennen lernen möchten, sich interessieren und den Aufenthalt in den beiden kleinen Dschungelausschnitten geniessen.

Brillenvogel; Quelle: Zoologischer Garten Basel
Brillenvogel; Quelle: Zoologischer Garten Basel

Wie entsteht aus der Idee ein Projekt, wer ist hier alles involviert?

Die Projekte werden mit interdisziplinären Teams erarbeitet. Gestalterisch sind externe Architekten und Architektinnen sowie Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen in der Verantwortung; sie haben jeweils eine Gruppe von Fachplanern an der Hand, welche für die Heizung, die Lüftung, die Statik, usw. verantwortlich sind. Die Bedürfnisse der Tiere werden durch die Kuratoren und Kuratorinnen eingebracht, nach Abschluss der konzeptionellen Phase ist auch ein Tierpflegender/ Tierpflegende im Team vertreten. Die Leiterin Bildung und Naturschutz ist von Anfang an dabei, weil jede neue Anlage unter ein Thema gestellt wird, für dessen Ausarbeitung und Integration ins Projekt sie verantwortlich ist, und sehr oft ist sie auch die Anwältin der Besuchenden und sorgt zum Beispiel dafür, dass es für Führungen genügend Platz hat. Der Leiter Bau und Unterhalt ist mit an Bord und ist dafür besorgt, dass man die Anlage am Ende auch unterhalten und betreiben kann und die technischen Einrichtungen mit dem Rest des Zoos kompatibel sind. Als Projektleiterin bin ich verantwortlich für das Reporting gegenüber überstellten Gremien, in welchen die Geschäftsleitung des Zoos und der Verwaltungsrat vertreten sind. Auf dieser Ebene werden auch die benötigten finanziellen Mittel gesprochen und die inhaltlichen und gestalterischen Grundsätze des Projektes bewilligt.

Welches waren die grössten Herausforderungen beim Umbau, insbesondere während der Corona-Zeit und jetzt?

Corona hat wegen Lieferengpässen auf den Terminplan und wegen der Teuerung, beispielsweise beim Baustahl, auf das Budget geschlagen. Weitere Herausforderungen waren die sehr schlechte Bausubstanz des alten Vogelhauses – wir mussten deutlich mehr abbrechen und neu erstellen, als wir angenommen hatten. Leider gab es auch sehr viele personelle Wechsel bei Schlüsselstellen, unter anderem ist der Architekt, Peter Stiner, kurz nach der Baueingabe völlig unterwartet verstorben - für uns alle menschlich sehr traurig und für das Projekt natürlich ein herber Schlag.

Die Geschichten um die ersten Lieferungen der Pflanzen für die beiden Hallen haben schon fast etwas Bizarres: Die einen, die von Borneo kamen, sind in Containern auf der Ever Given und auf einem Schiff hinter ihr hängen geblieben, als die Ever Given den Suezkanal blockierte. Die Pflanzen werden in klimatisierten Containern im Ruhezustand transportiert, werden also nicht betreut und kamen folglich tot in Holland an. Die Pflanzen von Costa Rica sind aus recht dubiosen Gründen im Zoll in Holland stecken geblieben bis sie in ihrem Container kompostiert waren.

Es sieht rund um das Vogelhaus immer noch ein bisschen nach Baustelle aus. Was ist der Grund und was ist noch im Entstehen?

Was noch nach Baustelle aussieht ist der Bereich zwischen Vogelhaus und Restaurant, wo eine steile Böschung entsteht. Es müssen dort Stützmauern gebaut und diese hinterfüllt und bepflanzt werden. Die Abschlussmauer entlang dem Zolliperimeter und das Dach des Neubaus sind auch noch nicht ganz fertig. Unterhalb des Vogelhauses ist noch eine Brache, die jetzt angesät wird, im Herbst wird die Ansaat durch Sträucher und Bäume ersetzt. Wir haben die Pflanzung unterbrochen, weil es zu heiss wurde. Ebenfalls noch in Arbeit ist die begehbare Voliere für Waldrappen, Racken und Marmelenten östlich des Vogelhauses. Dort gibt es Nischen für die Waldrappen, welche im Winter leicht temperiert werden können, diese sind noch fertig zu stellen bevor die Tiere einziehen können. Die Zwergotter sollten beim Erscheinen dieses Berichts in ihrer Anlage herumtollen, dort hat noch eine Abdeckung von einem Überlaufrohr gefehlt, durch welches die Otter in den Keller des Vogelhauses hätten gelangen können.

Es gibt ja diesen berühmten Vogelgriff an den Türen. Woher stammt dieser und was gibt es für "Geschichten" dazu?

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Türfallen bereits 1927 das Haus schmückten oder ob sie später dazu kamen. Jedenfalls war bei Führungen auf der Baustelle eine sehr häufige Frage, ob die Türfallen wieder kommen würden. Ja, wir haben Kopien giessen lassen, respektive mussten sie giessen lassen, da ein Original gestohlen wurde. Heute müssen die Türfallen aber nicht mehr gedrückt werden, sondern man zieht nur noch daran.

Welche Empfehlungen würden Sie für den Besuch im Vogelhaus abgeben? Auf was sollen die Besucher speziell achten?

Nehmen Sie sich Zeit, beobachten sie einen Vogel, schauen Sie ihm zu, was er macht, wie er Futter zu den Jungen ins Nest bringt, wie er Nistmaterial herumträgt, wie er einen anderen Vogel durch die Halle jagt. Achten Sie darauf, wo sich die Vögel aufhalten, welche Nahrung sie suchen. Freuen Sie sich am Gesang und Gekrächze (die wunderschönen farbigen Erzloris tönen furchtbar!) und an den überwältigenden Farben und Formen und lesen Sie die Informationen zur Evolution, wir haben uns an die neuesten Erkenntnisse der Forschung gehalten.

Frau Dr. Rodel, wir danken Ihnen ganz herzlich für dieses interessante Interview!

Nicole Biri, 11. Juli 2023