Weltweit steigende Realzinsen

  • Historisch waren Realrenditen im Durchschnitt von 1%-2% die Norm.
  • Die demografische Entwicklung spricht für anziehende reale Zinsen, da die «Baby-Boomer-Generation» in den nächsten Jahren sukzessive in Rente geht und dadurch ein kräftiger Entsparprozess beginnt.
  • Desgleichen belastet der anhaltende Abbau der Zentralbankbilanzen die risikobehafteten Anlagekategorien.
Matthias Wirz
«Diese Woche sind die Anleihe- und Aktienmärkte in eine Konsolidierungsphase eingetreten. » Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Diese Woche sind die Anleihe- und Aktienmärkte in eine Konsolidierungsphase eingetreten, da in den USA die Teuerungsrate hartnäckig über dem Ziel der amerikanischen Notenbank (FED) von 2% verharrt und folglich die Erwartungen für eine erste Leitzinssenkung erneut aufgeschoben wurden. Ausserdem erreichten die Haushaltsdefizite in den letzten Jahren beständig mehr als 6% der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP), wodurch die Zinsausgaben des Staates von durchschnittlich 3% in den letzten 20 Jahren auf mittlerweile über 4% des Gesamtbudgets angestiegen sind.


Aktuelle Situation

Aufgrund des inzwischen deutlich höheren Zinsniveaus und keiner absehbaren Trendwende in der Fiskalpolitik dürften sich die Zinsausgaben in den nächsten Jahren weiter dynamisch erhöhen. Entsprechend zeigen sich die Marktteilnehmer beunruhigt, sodass bei den jüngsten Anleihe-Auktionen des US-Finanzministeriums höhere Risikoprämien gefordert wurden. Dennoch dürften die hohen erwarteten Renditen bei Geldmarktanlagen und kurzlaufenden Staatsanleihen von über 5% nominal und mehr als 2% real weiterhin Anleger in genügend hoher Zahl anziehen.

Auch in Europa sind seit Ende 2022 steigende Realrenditen zu verzeichnen: die reale Verzinsung der 10-jährigen deutschen Staatsanleihe steht zurzeit bei +0.5%, verglichen mit noch -2.0% im ersten Halbjahr 2022. Wenngleich dieser Anstieg beträchtlich ist, muss die aussergewöhnliche Periode der quantitativen Lockerung (QE) der EZB mittels Anleihekäufe von 2020 bis 2023 berücksichtigt werden. QE verzerrte damals die Zinssätze um ca. 1%-1.5% nach unten, sodass sich für einen historischen Vergleich langfristige Datenreihen bis deutlich vor der Finanzkrise 2008 besser eignen. Dannzumal waren Realrenditen im Durchschnitt von 1%-2% die Norm, weshalb ein weitergehender Anstieg nicht ausgeschlossen werden kann. Im Weiteren spricht auch die demografische Entwicklung für anziehende reale Zinsen, da die «Baby-Boomer-Generation» in den nächsten Jahren sukzessive in Rente geht und dadurch ein kräftiger Entsparprozess beginnt. 

Für die Aktienmärkte stellen steigende (Real-) Renditen - vor allem aufgrund der hohen Bewertungen im Technologiesektor - ein Risiko dar. Gerade Wachstumswerte mit weit in der Zukunft liegenden Gewinnzuwachsraten sind dadurch (stark) korrekturgefährdet. Infolgedessen legen die Märkte den Fokus auf die aktuellsten Inflationsdaten, immer in der Hoffnung, dass diese nachgeben und sich den Zielgrössen der jeweiligen Notenbanken annähern. Allerdings enttäuschte die deutsche Inflationsrate im Mai mit einem Anstieg von 2.4% auf 2.8%, wobei weiterhin eine grosse Diskrepanz zwischen geringer Teuerung im Industrie- und hoher Rate im Dienstleistungsbereich besteht.


Unsere Empfehlung

Insgesamt führt die Kombination aus zäher Inflation und dadurch aufgeschobenen Leitzinssenkungen, sowie steigenden Emissionsvolumen aufgrund hoher Haushaltsdefizite und Schuldenstände vieler Industriestaaten zu erhöhter Verunsicherung an den Aktienmärkten. Desgleichen belastet der anhaltende Abbau der Zentralbankbilanzen die risikobehafteten Anlagekategorien.

Folglich steigt die Volatilität an, wodurch die Märkte vorerst im Konsolidierungsmodus verbleiben dürften. Demzufolge haben wir uns in den letzten Wochen leicht defensiver positioniert und die Aktienquote reduziert. Mittelfristig sollten die Inflationsraten jedoch weltweit weiter fallen, wodurch zuerst die EZB im Juni sowie im späteren Verlauf des zweiten Halbjahres auch das FED ihre Leitzinsen erstmals senken werden.

 

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Abbau Übergewichtung 
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien:Obligationen: -         
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum
Themen: Basis- und Edelmetalle, Energie

Matthias Wirz, 31. Mai 2024