Seit Jahren weist die Region Basel ein überdurchschnittliches Wachstum aus. Während das Bruttoinlandprodukt der Schweiz in der Zeit nach der Finanzkrise und bis zum Beginn der Corona-Krise jährlich um ca. 1.6% zugelegt hat, betrug das jährliche Wachstum in Basel gegen 2%. Der Grund für das überdurchschnittliche Wachstum ist schnell gefunden: Es liegt in der starken Präsenz der Pharmaindustrie begründet. Diese weist nicht nur einen hohen Exportanteil auf, sondern reagiert auch deutlich weniger auf konjunkturelle Schwankungen als andere Branchen. Entsprechend fiel die Differenz bei der wirtschaftlichen Entwicklung im Corona-Jahr 2020 noch stärker aus: Während das Bruttoinlandprodukt der Schweiz vergangenes Jahr um fast 6% eingebrochen ist, hat das BIP im Kanton Basel-Stadt im grössten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg um über 1% zugelegt.
Bei der Erwähnung der Pharmaindustrie drängen sich zwangsläufig die globalen Schwergewichte Roche und Novartis in den Vordergrund. Beide gehören zu den zehn grössten Pharma-Unternehmen der Welt und haben den Wirtschaftsstandort Basel in den letzten Jahrzehnten geprägt - mit dem Bau des Novartis-Campus und den beiden Roche-Türmen zuletzt auch städtebaulich und mit architektonisch internationaler Ausstrahlung.
Architektonisch etwas weniger spektakulär kommt einem da das 10 Kilometer ausserhalb Basels gelegene Technologiezentrum Witterswil («TZW») entgegen, doch profitiert dieses dafür von seiner Lage Mitten im Grünen in der ländlichen Gemeinde Witterswil.
Auch das TZW hat seine Wurzeln in der Basler Pharmaindustrie, lang diente der Standort in Witterswil der Sandoz AG bis zur Fusion mit der Ciba-Geigy AG zu Novartis über 20 Jahre als agrobiologische Versuchsstation. 1999 wurde das Areal von der Novartis verkauft und es entstand durch private Initiative ein vitaler Businesspark für Unternehmen aus den sogenannten «Life Sciences» (Pharma, Biotech, Medtech).
Gegründet wurde das TZW durch den im hinteren Leimental verwurzelten Unternehmer Ueli Nussbaumer. In den letzten 20 Jahren hat er den Businesspark in Witterswil entwickelt und ausgebaut.
Während die meisten Technoparks mit staatlicher Unterstützung betrieben werden, ist der TZW ein Familienunternehmen und die Investitionen erfolgten aus privaten Mitteln. Damit sich das lohnt, wurde von Anfang an Wert auf einen ausgeglichenen Mix bei der Mieterschaft geachtet. Neben Start Ups hat es im TZW auch Platz für etablierte Unternehmen. Dass dieses Geschäftsmodell - man kann auch von einer Art privaten «Wirtschaftsförderung» sprechen - funktioniert, hat sich in den letzten Jahren bestätigt. Aktuell sind im TZW gut 20 Unternehmen eingemietet und es arbeiteten gegen 300 Personen auf dem Areal.
Die wirtschaftlichen Betätigungsfelder der im TZW eingemieteten Unternehmen sind vielfältig.
So ist zum Beispiel die Innovative Environmental Services (IES) Ltd. zu nennen, die eine Prüfgesellschaft für die Umweltverträglichkeit von Chemikalien, Pflanzenschutzmittel und Pharmazeutika ist. Sie führt in ihren Labors und auf den Aussenflächen in Witterswil zahlreiche Studien für internationale Konzerne durch.
Nachdem in den vergangenen zwanzig Jahren bereits fünf neue Gebäudekomplexe mit total über 15'000 m2 hochwertiger Büro- und Labormietfläche erstellt wurden, plant das von der Familie Nussbaumer geführte TZW weitere Ausbauetappen. Aktuell sind ein neues Laborhaus mit 1'500 m2 Mietfläche für neue Mietinteressenten sowie ein zusätzliches Lager- und Produktionsgebäude mit 2'000 m2 Mietfläche für die Duresco GmbH in Planung. Allerdings bleibt das TZW seiner Philosophie treu: Gebaut wird nur, wenn es für die neuen Flächen auch konkrete Mieter gibt.
Die kanadische Ovivo Inc. betreibt in Witterswil ihr globales Forschungszentrum. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung von Maschinen zur Herstellung von Reinstwasser und der Wiederaufbereitung von industriellem Abwasser.
Die US-amerikanische Invacare ist im Bereich medizinsche Hilfsmittel tätig und hat im TZW ihren europäischen Hauptsitz. Sie entwickelt hier unter anderem High-Tech Rollstühle, welche ursprünglich vom fünffachen Paralympic Goldmedaillengewinner Rainer Küschall erfunden und designt wurden.
Die Duresco GmbH ist ein Spin Off der ehemaligen Ciba Spezialitätenchemie. Sie entwickelt und produziert in Witterswil Hochleistungspolymere, welche in so vielfältigen Bereichen wie der Elektronik, der Automatisierung, dem Automobilbau sowie der Medizinal-, Elektro- und Antriebstechnik eingesetzt werden.
Die Biolytix AG führt im TZW molekularbiologische und mikrobiologische Spezialanalysen durch. Aktuell ist die Biolytix AG mit der Durchführung der Covid-19 Massentest für den Kanton Basel-Landschaft beauftragt.
Sogar die Universität Basel nutzt das Areal im solothurnischen Witterswil. Das geographische Institut der Universität betreibt hier nicht nur ein speziell für das Institut erstelltes Regenlabor, sondern ebenfalls das berühmte Mars-Labor, in welchem die hochauflösende Kamera des Marsroboters Marsrover getestet wird.
Dominik Nussbaumer, 08. Juli 2021